Ludwig Bechstein

Ludwig Bechstein, geboren am 24.11. 1801 in Weimar, gestorben am 14.5. 1860 in Meiningen, war ein deutscher Schriftsteller, Archivar und Bibliothekar. Bekannt sind heute vor allem noch seine Märchensammlungen (Deutsches Märchenbuch, erschienen 1845 bis 1857, und Neues Deutsches Märchenbuch, erschienen ab 1856) sowie mehrere Sagensammlungen (u.a. Deutsches Sagenbuch, erschienen 1853). Daneben verfasste er mehrere Romane, historische Erzählungen und Gedichte, die seinerzeit recht erfolgreich waren, heute jedoch weitestgehend vergessen sind. Auch als Sammler und Herausgeber von altdeutschen Handschriften hat Ludwig Bechstein Bedeutendes geleistet. Dem Geist der Zeit gemäß vertrat er einen romantischen Patriotismus, was in seinem Interesse für die landeskundliche Forschung und insbesondere für das Sammeln von Volkserzählungen (einschließlich der Märchen) Ausdruck fand.

Ludwig Bechstein

Biografie

Die frühe Kindheit von Ludwig Bechstein war schwierig und auch in seinen Jugendjahren deutete zunächst wenig auf die spätere Karriere hin. Geboren als uneheliches Kind einer Beamtentochter und eines französischen Emigranten wurde er im Alter von neun Jahren von einem Verwandten, Johann Matthäus Bechstein, adoptiert. Dieser hatte sich als Forstwissenschaftler und Naturforscher einiges Ansehen erworben und war einer der Ersten, der sich für die Belange des Naturschutzes einsetzte. In seinen späten Jahren (1855) widmete Ludwig Bechstein dem Adoptivvater eine Biographie.

Zunächst sah es allerdings danach aus, dass sein eigener beruflicher Werdegang eine völlig andere Richtung nehmen würde. Denn nach dem Besuch des Gymnasiums in Meiningen nahm er in Arnstadt (zwischen Weimar und Meiningen gelegen) eine Apothekerlehre auf, die er 1821 abschloss. Anschließend arbeitete er in seinem »Brotberuf« als Apotheker in verschiedenen thüringischen Städten, begann aber ab 1823 nebenher Erzählungen und Gedichte zu schreiben. Der Herzog von Sachsen-Meiningen ermöglichte Ludwig Bechstein schließlich durch ein Stipendium, ab 1829 seinen Neigungen gemäß Philosophie, Geschichte und Literatur zu studieren (zunächst in Leipzig, dann in München). Im Anschluss erhielt er eine Anstellung als herzoglicher Bibliothekar in Meiningen und wurde bald zum Leiter der herzoglichen Bibliothek ernannt.

1832 gründete Bechstein den »Hennebergisch altertumsforschenden Verein zu Meiningen«, dessen Direktor er bis 1857 war. Diese Institution war nicht nur wegen ihrer inhaltlichen Ausrichtung »maßgeschneidert« für Ludwig Bechstein; sie wurde für ihn auch zu einem wichtigen Werkzeug, um Kontakte mit Gelehrten zu knüpfen und sich selbst durch Vorträge und Publikationen bekannt zu machen. Diese Position dürfte ein nicht unerheblicher Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Arbeit als Schriftsteller und Herausgeber gewesen sein. Denn insbesondere die Märchen – die erste Sammlung, das Deutsche Märchenbuch, erschien 1845 – mussten sich gegen die zu dieser Zeit schon fest etablierten Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm behaupten (der erste Band der Erstausgabe war 1812 erschienen und die kommerziell erfolgreiche, illustrierte »Kleine Ausgabe« 1825).

Sein Vorhaben, seine Sammlung volkstümlicher Dichtung, die mit den beiden Märchenbänden und dem Sagenband schon sehr umfänglich war, noch um einen Band mit deutschen Mythen zu ergänzen, konnte Bechstein, der im Alter von 58 Jahren starb, jedoch nicht mehr verwirklichen.

Deutsches Märchenbuch

Im Vorwort grenzt Bechstein zunächst die Begriffe Märchen, Sage, Legende und Mythe voneinander ab. Anschließend legt er dar, was er unter »ächten Märchen« versteht, nämlich solche, die »aus dem Volksmund überliefert« sind und die er abgrenzt von »neuerfundenen sogenannten Märchen«, welche »einzelne Dichter erfunden« haben. Dies ist die übliche Unterscheidung zwischen Volksmärchen und Kunstmärchen. Als maßgebliche Sammlung für Volksmärchen verweist er auf die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm; exemplarisch für Märchendichter nennt er Musäus (Volksmärchen der Deutschen) und Benedicte Naubert. Was seine Quellen betrifft, vermerkt er, er habe die Märchen »theils nach alten Schriften, theils nach mündlicher Überlieferung« niedergeschrieben. Die konkrete Quelle ist in der Erstausgabe für jedes Märchen unter dem Titel angegeben. Im Vorwort finden außerdem eine Reihe von Personen Erwähnung, die Bechstein beim Niederschreiben der Texte behilflich waren.

Die folgende Liste nennt die Titel des Deutschen Märchenbuchs (Kürzel DMB) gemäß ihrer Reihenfolge in der Ausgabe letzter Hand (1857), welche 80 Märchen umfasst. Nach der Darlegung seiner Intention im Vorwort überrascht es nicht, dass Bechstein etliche Märchen aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm übernahm (manche unter dem gleichen, andere unter einem anderen Titel). In der Liste bezeichnen die Angaben in Klammern jeweils den entsprechenden Titel in den Kinder- und Hausmärchen (Kürzel KHM).

  • Vom tapfern Schneiderlein (DMB 1, siehe Anmerkungen zu KHM 20: Das tapfere Schneiderlein)
  • Das Märchen von den sieben Schwaben (DMB 2, siehe KHM 119: Die sieben Schwaben)
  • Vom Schwaben, der das Leberlein gefressen (DMB 3)
  • Die Probestücke des Meisterdiebes (DMB 4, siehe KHM 192: Der Meisterdieb, siehe auch Der Meisterdieb von G.F. Straparola)
  • Die verzauberte Prinzessin (DMB 5)
  • Der Teufel ist los oder das Märlein, wie der Teufel den Branntwein erfand (DMB 6)
  • Der Schmied von Jüterbogk (DMB 7)
  • Hänsel und Gretel (DMB 8, siehe KHM 15: Hänsel und Gretel)
  • Das Rotkäppchen (DMB 9, siehe KHM 26: Rotkäppchen)
  • Der alte Zauberer und seine Kinder (DMB 10)
  • Die Goldmaria und die Pechmaria (DMB 11, siehe KHM 24: Frau Holle)
  • Der Gevatter Tod (DMB 12, siehe KHM 44: Der Gevatter Tod)
  • Hirsedieb (DMB 13)
  • Der goldne Rehbock (DMB 14)
  • Vom Zornbraten (DMB 15)
  • Das Nußzweiglein (DMB 16)
  • Der Mann ohne Herz (DMB 17)
  • Der Richter und der Teufel (DMB 18)
  • Star und Badewännlein (DMB 19)
  • Die beiden kugelrunden Müller (DMB 20)
  • Die drei Federn (DMB 21, keine Verwandtschaft mit dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm)
  • Hans im Glücke (DMB 22, siehe KHM 83: Hans im Glück)
  • Die schöne junge Braut (DMB 23)
  • Die sieben Raben (DMB 24, siehe KHM 25: Die sieben Raben)
  • Die drei Hochzeitsgäste (DMB 25)
  • Das Tränenkrüglein (DMB 26, siehe KHM 109: Das Totenhemdchen)
  • Vom Hühnchen und Hähnchen (DMB 27, siehe KHM 80: Von dem Tode des Hühnchens)
  • Die Kornähren (DMB 28, siehe KHM 194: Die Kornähre)
  • Der Hase und der Fuchs (DMB 29)
  • Der beherzte Flötenspieler (DMB 30)
  • Der Hasenhüter und die Königstochter (DMB 31)
  • Das Märchen vom Mann im Monde (DMB 32)
  • Der König im Bade (DMB 33)
  • Der kleine Däumling (DMB 34)
  • Der Zauber-Wettkampf (DMB 35)
  • Oda und die Schlange (DMB 36)
  • Das Kätzchen und die Stricknadeln (DMB 37)
  • Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack (DMB 38, siehe KHM 36: Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack)
  • Siebenschön (DMB 39)
  • Die drei Musikanten (DMB 40)
  • Der Müller und die Nixe (DMB 41, siehe KHM 181: Die Nixe im Teich)
  • Goldener (DMB 42, siehe KHM 136: Der Eisenhans)
  • Des kleinen Hirten Glückstraum (DMB 43)
  • Des Königs Münster (DMB 44)
  • Die Hexe und die Königskinder (DMB 45)
  • Der Mönch und das Vögelein (DMB 46)
  • Die sieben Geißlein (DMB 47, KHM 5: Der Wolf und die sieben jungen Geißlein)
  • Des Hundes Not (DMB 48)
  • Die drei Hunde (DMB 49)
  • Das Märchen vom Schlaraffenland (DMB 50, vgl. KHM 158: Das Märchen vom Schlauraffenland)
  • Schneeweißchen (DMB 51, siehe KHM 53: Schneewittchen)
  • Das Dornröschen (DMB 52, siehe KHM 50: Dornröschen)
  • Schwan, kleb an (DMB 53, siehe KHM 64: Die goldene Gans)
  • Die sieben Schwanen (DMB 54)
  • Mann und Frau im Essigkrug (DMB 55)
  • Das Mäuslein Sambar, oder die treue Freundschaft der Tiere (DMB 56)
  • Der Mann und die Schlange (DMB 57)
  • Der Hahn und der Fuchs (DMB 58)
  • Die Lebensgeschichte der Maus Sambar (DMB 59)
  • Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel (DMB 60, siehe KHM 187: Hase und Igel)
  • Zitterinchen (DMB 61)
  • Aschenbrödel (DMB 62, siehe KHM 21: Aschenputtel)
  • Die drei Gaben (DMB 63)
  • Gott Überall (DMB 64)
  • Die Knaben mit den goldnen Sternlein (DMB 65)
  • Der Wacholderbaum (DMB 66, siehe KHM 47: Von dem Machandelboom)
  • Der weiße Wolf (DMB 67)
  • Bruder Sparer und Bruder Vertuer (DMB 68)
  • Goldhähnchen (DMB 69)
  • Das Märchen vom Ritter Blaubart (DMB 70, siehe KHM 1. Auflage an Stelle 62: Blaubart, siehe Ritter Blaubart, Charles Perrault)
  • Die drei dummen Teufel (DMB 71)
  • Die dankbaren Tiere (DMB 72)
  • Die vier klugen Gesellen (DMB 73)
  • Rupert, der Bärenhäuter (DMB 74, siehe KHM 101: Der Bärenhäuter)
  • Vogel Holgott und Vogel Mosam (DMB 75)
  • Von zwei Affen (DMB 76)
  • Von dem Wolf und den Maushunden (DMB 77)
  • Die Katze und die Maus (DMB 78)
  • Das Rebhuhn (DMB 79, vgl. KHM 115: Die klare Sonne bringts an den Tag)
  • Das Gruseln (DMB 80, siehe KHM 4: Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen)

Neues Deutsches Märchenbuch

Ludwig Bechsteins Neues Deutsches Märchenbuch erschien ab 1856 und umfasst 50 Märchen. Im Vorwort verweist Bechstein auf die bereits in seiner ersten Märchensammlung vorgenommene Abgrenzung von Märchen insbesondere gegenüber Sagen und Legenden. Weiter stellt er einschränkend fest, »daß ein großer Teil der Märchen, selbst in den besten Sammlungen, keine Märchen, sondern häufig nur Fabeln, Anekdoten, oder kleine Erzählungen (Novellen) sind«. Als Wesensmerkmal des Märchens nennt er das Wunderbare, das heißt, es müsse etwas geschehen, »das im gewöhnlichen Leben nicht geschieht«. Außerdem vertritt er hier die Ansicht, dass konkrete Orte und Personen in einem Märchen nicht genannt sein sollten, da dies den Text in Richtung Sage verschieben würde (dies trifft etwa auf DMB 7, Der Schmied von Jüterbog zu).

Die Stoffe auch dieser Sammlung stammen teils aus mündlicher Überlieferung, teils aus Schriftquellen und wurden von Bechstein, wie er ebenfalls im Vorwort ausführt, vollständig bearbeitet. Bei der Bearbeitung ließ er sich nicht zuletzt von pädagogischen Erwägungen leiten – die Märchen waren ganz offensichtlich für Kinder gedacht –, wobei ihm die Vermeidung der Figur der bösen Stiefmutter so wichtig erschien, dass er dies in einem eigenen Absatz im Vorwort begründet.

Das ausführliche Quellenverzeichnis zeigt, dass der Einfluss der Grimm’schen Märchensammlung auf Bechsteins zweite Sammlung weniger stark ist als im Falle der ersten. Andere wichtige Quelle sind Johann Wilhelm Wolf, Deutsche Märchen und Sagen (1845), Hessische Sagen (1843), Johann Jacob Mussäus, von dem auch die Brüder Grimm einige Märchen für spätere Ausgaben ihrer Sammlung übernahmen (vgl. NDMB 23 mit KHM 173 und NDMB 25 mit KHM 172) sowie Ignaz und Josef Zingerle, Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutschland (1854).

  • Aschenpüster mit der Wünschelgerte (NDMB 1)
  • Das Natternkrönlein (NDMB 2)
  • Das klagende Lied (NDMB 3, vgl. KHM 28: Der singende Knochen)
  • Schneider Hänschen und die wissenden Tiere (NDMB 4, vgl. KHM 107: Die beiden Wanderer und KHM 107a: Die Krähen)
  • Sonnenkringel (NDMB 5, vgl. KHM 115: Die klare Sonne bringts an den Tag; vgl. außerdem DMB 79)
  • Der starke Gottlieb (NDMB 6, vgl. KHM 90: Der junge Riese)
  • Gevatterin Kröte (NDMB 7)
  • Seelenlos (NDMB 8)
  • Der undankbare Sohn (NDMB 9, KHM 145: Der undankbare Sohn)
  • Das Hellerlein (NDMB 10, KHM 154: Der gestohlene Heller)
  • Der schwarze Graf (NDMB 11)
  • Vom Büblein, das sich nicht waschen wollte (NDMB 12)
  • Das winzige, winzige Männlein (NDMB 13)
  • Die schlimme Nachtwache (NDMB 14)
  • Der gastliche Kalbskopf (NDMB 15)
  • Die scharfe Schere (NDMB 16)
  • Das tapfere Bettelmännlein (NDMB 17, vgl. KHM 20: Das tapfere Schneiderlein)
  • Zwergenmützchen (NDMB 18)
  • Der Wandergeselle (NDMB 19)
  • Marien-Ritter (NDMB 20)
  • Vom Knaben, der das Hexen lernen wollte (NDMB 21)
  • Die drei Wünsche (NDMB 22)
  • Die Kuhhirten (NDMB 23, vgl. KHM 173: Rohrdommel und Wiedehopf)
  • Das Unentbehrlichste (NDMB 24, vgl. KHM 179: Die Gänsehirtin am Brunnen)
  • Der Fischkönig (NDMB 25, KHM 172: Die Scholle)
  • Die Schlange mit dem goldnen Schlüssel (NDMB 26, verwandt mit Das Natternkrönlein, siehe Anmerkung dort)
  • Die goldene Schäferei (NDMB 27)
  • Die verwünschte Stadt (NDMB 28)
  • Schab den Rüssel (NDMB 29)
  • Der redende Esel (NDMB 30)
  • Der fromme Ritter (NDMB 31)
  • Der wandernde Stab (NDMB 32)
  • Die Wünschdinger (NDMB 33)
  • Das blaue Flämmchen (NDMB 34)
  • Undank ist der Welt Lohn (NDMB 35)
  • Der fette Lollus und der magere Lollus (NDMB 36)
  • Die Adler und die Raben (NDMB 37)
  • Vom Hasen und dem Elefantenkönige (NDMB 38)
  • Von einem Hasen und einem Vogel (NDMB 39)
  • Von einem Einsiedel und drei Gaunern (NDMB 40)
  • Der listige Rabe (NDMB 41)
  • Der Dieb und der Teufel (NDMB 42)
  • Die verwandelte Maus (NDMB 43)
  • Der Raben Arglist und Rache (NDMB 44)
  • Die beiden Brüder (NDMB 45)
  • Schlange Hausfreund (NDMB 46, verwandt mit Das Natternkrönlein, siehe Anmerkung dort)
  • Die Schlangenamme (NDMB 47, verwandt mit Das Natternkrönlein, siehe Anmerkung dort)
  • Klare-Mond (NDMB 48)
  • Siebenhaut (NDMB 49)
  • Das Dukaten-Angele (NDMB 50)

Weblinks

Ludwig Bechstein, Deutsches Märchenbuch bei archiv.org

Das könnte dich auch interessieren …