Märchenfiguren (Übersicht)

Märchen sind meist nach einem einfachen Grundschema aufgebaut: Der Held / die Heldin muss eine existenzielle Krise bewältigen, wobei er /sie sich gegen (zauber-)mächtige Gegenspieler durchsetzen muss. Dabei stehen ihm /ihr ebenso (zauber-)mächtige Helfer zur Seite. Weitere Märchenfiguren bilden gewissermaßen nur den »Hintergrund«, d.h. sie definieren oder illustrieren den Rahmen, in dem sich das Geschehen abspielt, greifen aber selbst nicht aktiv in die Handlung ein. Ein typisches Beispiel ist der Vater von Schneewittchen, der die üble Behandlung seiner Tochter durch die neue Frau einfach hin nimmt. Seine Rolle besteht nur darin, die edle Herkunft von Schneewittchen klarzustellen.

Illustration von Alexander Zick zu dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot
Der garstige Zwerg ist der Gegenspieler von Schneeweißchen und Rosenrot. Illustration Alexander Zick (Märchen für Kinder, Verlag Grote Berlin, um 1880)

In diesem Schema agieren bestimmte Typen von Märchenfiguren, die sich relativ eindeutig einer dieser Rollen zuordnen lassen. Ihren Ursprung haben diese Typen entweder in der Mythologie (Elfen, Wassergeister, Zwerge …) oder in traditionellen Sozialstrukturen (z.B. Prinz, Prinzessin als Helden, Stiefmutter als Gegenspielerin ähnlich der Hexe). Rollenwechsel sind möglich, aber selten. Am häufigsten wechselt die Rolle zwischen Helfer und Gegenspieler (etwa in Dornröschen, wo aus der dreizehnten Fee — als solche eigentlich eine Helferin — eine Gegenspielerin vom Typ der Hexe wird).

Eine interessante Entwicklung deutet sich in einigen romantischen Kunstmärchen an, wo Helfer oder Gegenspieler (oft ambivalent) sich aus ihren Nebenrollen aufschwingen und die Rolle des Helden erobern. Ein schönes Beipiel ist Fouqués Undine, eigentlich ein weiblicher Wassergeist mit ambivalenten Eigenschaften, die zur (tragischen) Heldin wird, während sich Bertalda, als Ziehtochter des Herzogs eigentlich die geborene Heldin, mit der Rolle von Undines Gegenspielerin begnügen muss. Und bei E.T.A. Hoffmann tritt ein boshafter Zwerg, Klein Zaches, genannt Zinnober, aus der ihm klassisch zugedachten Rolle des Störenfrieds heraus und wird zur Hauptfigur, einem Prototypen des Antihelden. Völlig neu verteilt werden die Rollen schließlich im modernen Märchen, etwa bei Angela Carter (Blaubarts Zimmer) oder Otfried Preußler (Die kleine Hexe).

Wichtige Märchenfiguren sind oft auch Tiere; siehe hierzu Tiere im Märchen. Bei den Tieren ist die Zuordnung zu den Rollen weniger offensichtlich, und schon gar nicht eindeutig. Beispielsweise tritt der Fuchs / die Füchsin in allen drei Rollen auf (nicht im selben Märchen, versteht sich). In einer bestimmten Märchentradition kann der Typ eines Tiers relativ eindeutig sein, was aber wegen der vielfältigen gegenseitigen Beeinflussung nur selten zu finden ist. Eine spezielle Variante von Tierfiguren in Märchen ist das Tier, welches in Wirklichkeit in verwandelter Mensch ist. Die Verwandlung in ein Tier kann alle drei Typen (Held, Gegenspieler, Helfer) treffen. Da Märchen (fast) immer gut ausgehen, erhält der Märchenheld und meist auch der verwandelte Helfer am Ende seine menschliche Gestalt zurück. Der böse Gegenspieler dagegen endet gelegentlich als Tier.

Illustration von Alexander zu dem Märchen Aschenputtel
Die Tauben sind die Helfer von Aschenputtel. Illustration von Alexander (Märchen für Kinder, Verlag Grote Berlin, um 1880)

Manchmal treten im Märchen auch Gegenstände als Akteure auf. So zum Beispiel das „Tischlein deck dich“ und der „Knüppel aus dem Sack“ in der Rolle des Helfers. Der Zauberspiegel in Schneewittchen ist ebenfalls ein Helfer. Allerdings steht er als Helfer der bösen Stiefmutter auf der falschen Seite, was er schließlich mit dem Leben bezahlt. Das Beispiel des Spiegels zeigt aber, dass im Märchen Gegenstände wie Personen sein können — sie können sogar sterben. Die Unterscheidung zwischen magischen Helfern, magischen Tieren und magischen Gegenstände hat keine allzu große Bedeutung.

Märchenfiguren, also konkrete Personen in konkreten Märchen, sind ontologisch Instanzen der Märchentypen. Manche Märchenfiguren mit großem Bekanntheitsgrad wie Dornröschen, Aschenputtel oder Rumpelstilzchen, definieren sogar einen eigenen Untertyp, der neben den Typ-Eigenschaften zusätzliche charakteristische Merkmale besitzt. Dornröschen beispielsweise ist eine Prinzessin (positive Heldin edler Abstammung). Sie ist zwar die Hauptfigur, aber eine, die nicht selbst aktiv wird, sondern von ihrem Prinzen (Nebenfigur) wachgeküsst werden muss. Aschenputtel/Cinderella ist der Prototyp des Mädchens von einfachem Stand, das für ihre besonders demutsvolle Haltung (klagloses Verrichten von Dreckarbeit) vom Schicksal mit einem Prinzen belohnt wird. Und Rumpelstilzchen schließlich ist der typische Giftzwerg, im Gegensatz zu den hilfreichen Zwergen bei Schneewittchen.

Die folgenden Aufzählungen sind unvollständig und werden nach und nach ergänzt.

Spezielle Typen von Märchenfiguren

  • Drachen: Mischwesen aus Vogel und Reptil, verkörpern im europäischen Märchen fast immer das Böse und sind deshalb meist der Gegenspieler des Märchenhelden (siehe Fabelwesen: Der Drache)
  • Elfen: meist als ganzes Volk auftretend, also männlich und weiblich; überwiegend als Helfer, aber auch launisch-eigensinnig, Menschen, die sie nicht mögen, werden bestraft
  • Fee: weiblich, Typ Helferin, selten Gegenspielerin; siehe Feen im Märchen
  • Hexe: weiblich, Typ Gegenspielerin; im deutschen Märchen prototypisch ist die Hexe aus Hänsel und Gretel; Allgemeines zu Hexen, Hexenwahn und Hexenverfolgung siehe Hexen im Volksglauben und im Märchen
  • König: tritt fast nur im Hintergrund auf (der alte König im Gegensatz zum aktiv handelnden Königssohn)
  • Königin: seltener als Hintergrund, häufiger als böse Gegenspielerin vom Typ Stiefmutter (die böse Königin in Schneewittchen)
  • Prinz / Königssohn: der wichtigste Heldentyp im Märchen, siehe Prinzen und Prinzessinnen im Märchen
  • Prinzessin / Königstochter: zentrale Märchenfigur, besonders wichtig als Identifikationsfigur für Mädchen, siehe Prinzen und Prinzessinnen im Märchen
  • Riese: böser, grobschlächtiger Gegenspieler, besitzt zwar übernatürliche Fähigkeiten, ist aber dumm. Beispiel: Das tapfere Schneiderlein, Allgemeines siehe Riesen, Trolle, Menschenfresser. Der Unhold im Märchen
  • Stiefmutter: böse Gegenspielerin, Konkurrentin, ausführlicher siehe Die Stiefmutter im Märchen
  • Unhold: ähnlich dem Riesen, es können aber die übernatürlichen Fähigkeiten fehlen (Räuber, Menschenfresser)
  • Wassergeist
  • Zauberer
  • Zwerg: Helfer oder Gegenspieler, siehe Zwerge im Märchen
  • und … der Hans und die Marie: Viele Märchenhelden sind junge Männer und Frauen aus dem einfachen Volk. Stellvertretend seien sie hier Hans und Marie genannt. Hans-Märchen gibt es tatsächlich sehr viele. In etlichen Varianten entspricht Hans dem „Dummling„, wie er etwa im Märchen Die goldene Gans vorkommt. Das einfache Mädchen als Märchenheldin hat oft gar keinen „richtigen“ Namen, sondern heißt zum Beispiel Rotkäppchen oder Aschenputtel, oder sie ist einfach „die Müllerstochter“ wie die Heldin aus dem Märchen Rumpelstilzchen. Bei Frau Holle gibt es die Marie gleich doppelt, als Goldmarie (die Heldin) und als Pechmarie (die Antiheldin).

Personen

  • Aladdin
  • Ali Baba
  • Arielle, die Titelheldin einer Serie von Zeichentrickfilmen der Walt Disney Company, basierend auf dem Märchen Die kleine Seejungfrau von Hans Christian Andersen
  • Allerleirauh, auch Eselshaut, Donkeyskin, Catskin, Mäusehaut …
  • Aschenputtel, auch Cinderella, Cenfrillon, Aschenbrödel …
  • Baba Jaga, die Hexe im russischen Märchen
  • Cinderella (Aschenputtel, Cendrillon)
  • Däumling (Daumengroß, Däumelinchen), ein von Geburt benachteiligtes Kind, entweder besonders klein oder einfach das jüngste unter vielen Geschwistern
  • Dornröschen, die schlafende Schöne im Wald — muss von einem Prinzen aufgeweckt werden
  • Dschinni: Flaschengeist in orientalischen Märchen, zum Beispiel in der Geschichte vom Fischer und dem Dschinni
  • Frau Holle
  • Goldmarie, das fleißige Mädchen aus Frau Holle
  • Pechmarie, das faule Mädchen aus Frau Holle
  • Rapunzel
  • Ricdin-Ricdon, der französische Bruder von Rumpelstilzchen
  • Rotkäppchen, kleines, süßes Mädchen, das sich bösen Wolf vom rechten Weg abbringen lässt. In vielen Sprachen bekannt, u.a. Le petit chaperon rouge (Perrault) und Little Red Riding Hood
  • Rumpelstilzchen, der zauberkundige Giftzwerg als böser Gegenspieler
  • Schneewittchen, weiß wie Milch, rot wie Blut… — weit verbreitete Märchenfigur, bekannt u,a. als Little Snow Drop, Snow White, Blanche-neige
  • Undine: im Wasser lebender weiblicher Elementargeist; besonders bekannt in der Umsetzung von Friedrich de la Motte Fouqué
  • Wassilissa, die Schöne