Tiere im Märchen: Die Katze

Unsere Hauskatze ist die Haustierform der Wildkatze (Felis silvestris). Genauer gesagt stammt sie von der Afrikanischen Wildkatze oder Falbkatze (Felis silvestris lybica) ab. Heute ist sie bei uns noch vor dem Hund das beliebteste Heimtier.

Cat and Mouse in Partnership
Illustration von Arthur Rackham zu dem Märchen Katze und Maus in Gesellschaft (The Fairy Tales of the Brothers Grimm, Constable, 1909)

Katzen haben eine außerordentlich hohe Fruchtbarkeit (frühe Geschlechtsreife, zwei Würfe pro Jahr mit jeweils vier bis sechs Jungen). Zusammen mit der mangelnden Einsicht vieler Halter in die Notwendigkeit der Kastration hat dies zu großen Populationen verwilderter Katzen geführt. Diese sind nicht mit Wildkatzen zu verwechseln, weichen aber in einigen Aspekten auch deutlich von der Hauskatze ab. Beispielsweise kommt bei diesen Katzen (wie bei den Wildkatzen) das charakteristische Miauen nicht vor. Dieses ist offenbar der Kommunikation der Hauskatze mit dem Menschen vorbehalten. Auch bilden sie mitunter größere Gruppen. Das ist völlig untypisch für Wildkatzen gehört und zumindest in dieser Form auch nicht zum typischen Sozialverhalten von Hauskatzen.

Domestizierung

Die Domestizierung der Katze begann nach heutigem Kenntnisstand im sog. Fruchtbaren Halbmond, einem Gebiet nördlich der Syrischen Wüste, das sich in weitem Bogen von Jordanien über den heutigen Irak bis an den Persischen Golf erstreckt.1 Dieses Gebiet ist eine der Ursprungsregionen, in denen der Mensch zu einer seßhaften Lebensweise, begründet auf Ackerbau und Viehzucht, überging.

Die Katze suchte die Nähe der menschlichen Siedlungen zunächst als Abfallverwerter. Für den Menschen hingegen war sie zunächst wohl vor allem ein Beutetier. Erst später begann ihr »Aufstieg« als Mäusejägerin. Besonders im landwirtschaflich geprägten Ägypten wuchs ihre Bedeutung und ihr Ansehen2, das sich schließlich zu kultischer Verehrung steigerte.3 Für die alten Ägypter stand die Katze für Anmut, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Die Katzengöttin Bastet ist in der ägyptischen Mythologie die Tochter des Sonnengottes Ra, die entweder als Katze oder als Frau mit Katzenkopf dargestellt wird.

Im antiken Griechenland und im Römischen Reich ist die Hauskatze etwa ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. nachweisbar (durch Bemalungen auf Vasen). Doch war die Katze für die Griechen und Römer nie mehr als ein nützliches Haustier. Wegen ihrer Unberechenbarkeit blieb sie ihnen jedoch suspekt bis unheimlich. Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches breitete sich die Katze in den ersten Jahrhunderten n. Chr. weiter Richtung Norden aus, wobei ihre Bedeutung bis ins Mittelalter gering blieb.

Verbreitung in Europa

Dies änderte sich erst im Spätmittelalter, als über den Seehandel Vorratsschädlinge wie Hausratte, Wanderratte und Hausmaus eingeschleppt wurden, die eine ernsthafte Bedrohung darstellten. Im Abendland blieb das Verhältnis des Menschen zur Katze immer zwiespältig – im Gegensatz zum Hund, der als Freund angesehen wurde und wird. So wurde die Katze im Aberglauben einerseits als Begleiterin der Hexe angesehen (ein wesentlicher Aspekt im Märchen) und mit dem Teufel in Verbindung gebracht (besonders die schwarze Katze).

Andererseits waren Katzen bzw. ihre Teile in der Volksmedizin sehr geschätzt4. Im Adel wie im einfachen Volk gab es immer auch Katzenliebhaber, was jedoch nicht ausschloss, dass freundschaftlicher Umgang mit einer Katze als verdächtig gelten konnte. In mancherlei Hinsicht ähnelt die zwiespältige abendländische Sicht auf die Katze derjenigen, mit der »das Weib« im christlichen Mittelalter und bis in die Neuzeit gesehen wurde.

Wie bei den alten Ägyptern wird die Katze vor allem mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht. Jedoch schieben sich gegenüber den positiven Aspekten (wie mütterliche Fürsorge, Anmut und Fruchtbarkeit) die negativen in den Vordergrund. Besonders die Sexualität der weiblichen Katze galt (und gilt vielen bis heute) als anstößig oder gar teuflisch. Auch die Tatsache, dass sie tagsüber relativ viel schläft (also »faul« ist) und dafür nachts auf die Jagd geht (sich »rumtreibt«) rückt sie für manche in ein ungünstiges Licht.

Symbolik der Katze im Märchen

Die Symbolik der Katze leitet sich weniger aus alten mythologischen Vorstellungen her, als aus den Verhaltensweisen, die die Katze im Zusammenleben mit dem Menschen zeigt. Während der Hund für seine Gelehrigkeit geschätzt wird, gilt für die Katze eher das Gegenteil. Zumindest sagen Katzenliebhaber, die Katze habe »ihren eigenen Kopf«, wenn sie wenig Neigung zeigt, sich von ihrem Menschen etwas beibringen zu lassen. Folglich steht sie für Eigenwilligkeit und Freiheitsdrang, aber auch für Unberechenbarkeit und Triebhaftigkeit. Die Fähigkeit, sich lautlos anschleichen zu können, verleiht ihr etwas Dämonisches; ihre Vorliebe für die Nacht lässt sie in Gefilde vordringen, die für Menschen schwer zugänglich sind.

Illustration von Arthur Rackham zu dem Märchen Jorinde und Joringel. Die schwarze Katze ist die Begleiterin der Hexe.
Arthur Rackham, Illustration zu Jorinde und Joringel (in The Fairy Tales of the Brothers Grimm, Constable, 1909). Die Katze ist in diesem Märchen Begleiterin der Hexe

Im Wesentlichen lassen sich die in (Zauber-)Märchen vorkommenden Katzen in zwei Gruppen einteilen. Zum einen sind da die für das Dämonische stehenden Begleiterinnen von Hexen und Teufeln. Zum anderen die Botinnen aus dem Reich des Unbewussten (Nacht), die den Helden in eine bessere Zukunft (Tag) begleiten. Dazu kommen Katzen in Tiermärchen, die nicht als Symbol zu sehen sind, sondern einfach für ein gewöhnliches Tier stehen. Dabei kommt der Katze oft eine Rolle zu, die ganz ihrer Natur entspricht. Hier ist sie die vermeintlich Schwache, die plötzlich ihre Krallen ausfährt.

Als Beispiele für Märchen mit Katzen seien die folgenden genannt:

  • Der gestiefelte Kater (Brüder Grimm). In dem wohl bekanntesten Märchen mit einer Katze tritt, was eine seltene Ausnahme ist, eine männliche Katze (Kater) auf. Da es ältere Fassungen mit dem Motiv der hilfreichen Katze (weiblich) gibt, ist anzunehmen, dass die »Geschlechtsumwandlung« relativ spät erfolgte. Jedenfalls verfügt der Kater über großes Wissen und Geschick. Damit verhilft er seinem Besitzer, einen armen Müllerssohn, zu Ansehen und Reichtum.
  • Gagliuso (Basile). Ähnlich wie der gestiefelte Kater, jedoch mit einer Katze (kein Kater) als Helferin.
  • Die weiße Katze (d’Aunoy). Ähnlich wie Der arme Müllersbursche. Hier gibt es aber einen zweiten Teil, der die Verwandlung der Königstochter erklärt.
  • Der kleine Muck (Wilhelm Hauff). Der Märchenheld lebt eine zeitlang bei einer zweifelhaften alten Frau, deren unzählige Katzen er pflegen muss.
  • Katze und Maus in Gesellschaft (Brüder Grimm). In diesem Tiermärchen stehen Katze und Maus, ähnlich wie bei einer Fabel, symbolisch für einen Starken und einen Schwachen. Der Starke redet dem Schwachen ein, mit ihm eine Gemeinschaft zu bilden, frisst ihn aber am Ende auf.
  • Die Bremer Stadtmusikanten (Brüder Grimm). In diesem bekannten Tiermärchen ist die Katze eines der ausgemusterten Tiere. Bei der Konfrontation mit den Räubern darf sie sich einmal von ihrer garstigen Seite zeigen.
  • Der alte Sultan (Brüder Grimm). Ähnlich wie bei den Bremer Stadtmusikanten soll ein alter Hund namens Sultan ausgemustert und erschossen werden. Ein Trick, den er dem Wolf verdankt, rettet ihn vor diesem Schicksal. Doch dann gerät er mit dem Wolf aneinander. Seine einzige Verbündete im Kampf gegen den Wolf ist eine lahme Katze – die selbst mit drei Pfoten noch gefährlich ist.

Außerdem interessant: Übersichtsartikel zur Rolle und Funktion von Tieren im Märchen

  1. Belege in Form von Knochenfunden sind bis zu 9000 Jahren alt.
  2. Bildliche Zeugnisse für das friedliche Zusammenleben von Mensch und Katze finden sich ca. ab dem 3. Jahrtausend v. Chr.
  3. Archäologen haben in dem antiken Ort Bubastis, Hauptkultort der Katzengötin Bastet, Tausende von Katzenmumien in Grabkammern gefunden. Einige dieser Mumien hatten Gesichter aus Gold.
  4. Katzenfelle als Leibwärmer für Rheumatiker erfreuten sich noch bis in die jüngere Vergangenheit großer Beliebtheit.

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