Tiere im Märchen: Fische

Der Fisch hat in vielen Kulturen eine symbolische Bedeutung. Wegen seiner starken Vermehrung ist er allgemein ein Fruchtbarkeitssymbol, manchmal auch ein Symbol für Zeugungskraft. Im Plural stehen (kleine) Fische für die Auflösung des Individuellen und die Verschmelzung zu einem Kollektivwesen, dem Schwarm. Auf der anderen Seite zeugen Mythen von Riesenfischen von dem Eindruck, die Begegnungen mit sehr großen Fischen bzw. Meeressäugern (Wale) bei den Menschen hinterlassen haben.

Illustration von Anne Anderson zu dem Märchen Der Fischer und seine Frau
Der Fischer und seine Frau. Illustration Anne Anderson (Grimm’s Fairy Tales, Collins, London, 1922)

In etlichen Märchen findet sich das aus dem Alten Testament bekannte Motiv von Jona, der von einem Wal verschlungen wird, wieder. Im Christentum ist der Fisch ein Symbol für Christus und ein Sinnbild für die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde. Ichthys, das griechische Wort für Fisch, lässt sich als kurzgefasstes Glaubensbekenntnis lesen: »Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland.« Das lediglich aus zwei gekrümmten Linien bestehende Symbol ist an Haustüren, auf Grabsteinen, Amuletten und Ringen zu sehen. Da man sehr lange glaubte, dass Fische sich ungeschlechtlich vermehren, galten sie außerdem als Symbol für Keuschheit und Reinheit.

Da das Wasser ein Sinnbild für das Unbewusste ist, wird der Fisch zum Boten zwischen dem Menschen und seinen (möglicherweise verborgenen) Wünschen. In diesem Sinne tritt der Fisch im Märchen gelegentlich als Wunscherfüller auf. Als Schwarmfisch übernimmt er die Rolle des für das feuchte Element zuständigen Helfers, während für die Erde z.B. die Ameisen und für die Luft die Bienen zuständig sind.

  • Vom Fischer und seiner Frau. Zum Dank, dass der Fischer ihn wieder ins Meer entlässt, erfüllt der Butt verschiedene Wünsche des Fischer bzw. von dessen Frau.
  • Die Goldkinder. Wie im Märchen vom Fischer und seiner Frau erfüllt der Fisch Wünsche und schenkt dem Paar zwei Goldjungen.
  • Das Meerhäschen. Der Märchenheld schenkt drei Tieren das Leben, dem Raben (Luft), dem Fisch (Wasser) und dem Fuchs (Erde), die ihm zum Dank beim Lösen schwieriger Aufgaben helfen.
  • Die weiße Schlange. Wie oben; Fische, Ameisen und Raben als Helfer des Märchenhelden
  • Tom Thumb. Eines der vielen Abenteuer des Winzlings besteht darin, dass er von einem Fisch verschluckt wird, der später in König Artus‘ Küche landet.
  • Nennillo und Nennella. Das Mädchen Nennella wird von einem riesigen Fisch verschluckt, in dessen riesigem Bauch sie eine zeitlang wie eine Prinzessin wohnt.
  • Sindbad der Seefahrer (erste Reise). Der in dieser Geschichte vorkommende Fisch ist so riesig, dass er von Sindbad und seinen Leuten für eine Insel gehalten wird.
  • Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen. Der Held lernt das Fürchten erst, als seine Frau einen Eimer mit glitschigen Fischen über ihm ausgießt.
  • Die Bücher der Chronika der drei Schwestern. Ein verschwendungssüchtiger Graf verschachtert seine drei Töchter an einen Bären (Herr der Erde), einen Adler (Luft) und einen Fisch (Wasser). Die Tiere sind aber verzauberte Prinzen und werden durch den jüngeren Bruder der Schwestern erlöst. Ähnlich ist das Märchen Die drei Tierbrüder, wo jedoch die Einleitung mit den Verfehlungen des Vaters fehlt und statt des Bären ein Hirsch als Herr der Erde auftritt.

Siehe auch: Übersichtsartikel zur Rolle und Funktion von Tieren im Märchen

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