Tom Thumb

Tom Thumb (Tom »Daumengroß«) ist eine der bekanntesten Figuren der englischen Folklore. Die Abenteuer des Winzlings wurden seit dem frühen 17. Jahrhundert sowohl in Versform (Tom Thumbe, His Life and Death, 1630) als auch in Prosa (The History of Tom Thumbe, 1621) festgehalten und seitdem unzählige Male neu erzählt. Zumindest der Anfang der Lebensgeschichte des Tom Thumb — die Erfüllung des Kinderwunschs eines schon älteren Paares durch eine zauberkräftiges Wesens — findet sich auch in bei den Brüdern Grimm (Daumesdick) bzw. allgemeiner im europäischen Märchen. Eine ähnliche Figur ist der Daumerling in dem Grimm’schen Märchen Daumerlings Wanderschaft, obwohl dort die Einleitung (Erfüllung des Kinderwunschs) fehlt.

Illustration von Warwick Goble zu dem Märchen Tom Thumb
Tom Thumb. Illustration Warwick Goble (The Fairy Book, Dinah Craik, Macmillan, 1913)

Inhalt

In den Zeiten von King Arthur gelangt der Zauberer Merlin einmal zum Haus eines Bauern, dessen Frau ihn freundlich bewirtet. Er bemerkt die leichte Traurigkeit des Bauern und seiner Frau und fragt nach dem Grund. Die Frau antwortet, sie wünsche sich ein Kind, und wäre es auch nur so groß wie ein Daumen. Merlin findet die Vorstellung eines so winzigen Wesens amüsant und bespricht die Sache mit der Feenkönigin.

Bald bringt die Bäuerin einen Jungen, Tom Thumb, zur Welt, der nicht größer wird als der Daumen seines Vaters. Seine Mutter ist so vernarrt in ihn, dass sie ihn allzu nachsichtig erzieht, und wird der kleine Bursche zu einem Tunichtgut, der sich durch seine Streiche immer wieder in schwierige Situationen bringt. Seine Spielkameraden betrügt er beim Spielen mit Kirschkernen, indem er unbemerkt in deren Beutel kriecht und seiner Mutter tanzt er buchstäblich auf der Nase herum. Einmal fällt er dabei in den Wurstpudding, den sie gerade kocht. Bevor sie das Verschwinden ihres kleinen Lieblings bemerkt, verschenkt sie den Wurstpudding an einen vorbeikommenden Kesselflicker, denn die Speise erscheint ihr wegen des darin herumzappelnden Tom nicht ganz geheuer.

Der Kesselflicker steckt den Pudding in seinen Sack und zieht weiter. Als Tom den Mund endlich frei bekommt, um in dem Pudding klebend zu schreien, wirft der Kesselflicker den Pudding samt Tom erschrocken über eine Hecke. Der Pudding zerbricht, sodass sich Tom aus seiner misslichen Lage befreien kann. Wieder zu Hause beschließt die Mutter, in Zukunft besser auf Tom aufzupassen. An einem stürmischen Tag bindet sie Tom an einer Flöte fest, als sie mit ihm hinaus zur Kuh geht, um sie zu melken. Doch die Kuh hat es auf Toms Hütchen aus Laub abgesehen, also landen Hütchen, Tom und Flöte zusammen in ihrem Maul. Tom schreit laut nach seiner Mutter, was auch der Kuh nicht gefällt, weshalb sie ihn unzermalmt wieder ausspuckt.

Ein größeres Abenteuer beginnt, als Tom mit aufs Feld geht und in eine Furche stürzt. Ein Rabe pickt ihn auf und lässt ihn nahe der Küste über der Burg eines Riesen fallen. Der Riese steckt sich das kleine Ding in den Mund und schluckt es runter. Allerdings wird ihm schlecht davon, und so landet Tom Thumb im Meer. Dort wird er von einem Fisch verschluckt, der wiederum in der Küche von König Artus landet. Damit beginnt Tom Thumbs Karriere als Hofzwerg von König Artus, dessen Günstling er wird. Als solcher darf eines Tages aus der Schatzkammer nehmen, so viel er tragen kann — was allerdings nicht viel ist.

Beladen mit einer Drei-Pence-Münze kommt er zwei Tage später halbtot im Haus seiner Eltern an, wo ihn die Mutter wieder hochpäppelt. Zurück am Hof setzt er sein aufregendes Leben als Hofzwerg fort. Doch irgendwann erkrankt er an Erschöpfung, weshalb ihn die Feenkönigin in ihr Reich holt. Als er genesen ist, reist er mit dem Feenwind zurück an König Artus‘ Hof. Dummerweise fällt er bei seiner Ankunft in eine Schüssel mit heißer Grütze, die dem Koch ins Gesicht spritzt. Der lässt die Schüssel vor Schreck fallen, die Schüssel zerbricht und die Grütze — die für König Artus bestimmt war — ist ungenießbar. Durch dieses Malheur fällt Tom Thumb in Ungnade und soll geköpft werden.

Beherzt entzieht sich Tom der Vollstreckung des Urteils, indem er einem Gaffer ins offene Maul springt. Er verbringt eine Zeit im Bauch des Gaffers, der sich zumehmend unwohl fühlt und schließlich einen Arzt zu Rate zieht. Als der Kranke kräftig gähnt, ergreift Tom die Gelegenheit zur Flucht, die aber nur halb gelingt. Kaum hat er seinen ehemaligen »Wirt« verlassen, schleudert ihn dieser in den Fluss, wo er von einem Lachs verschlungen wird. Ein zweites Mal landet Tom Thumb in der Küche des Königs und macht nun eine noch steilere Karriere. Er wird zum Ritter geschlagen, mit neuen Kleidern ausstaffiert und bekommt ein eigenes Reittier — eine Maus. Sein wechselhaftes Schicksal endet damit, dass eine Spinne ihn für eine Fliege hält, die ihm das Blut aussaugt. In seiner Grabinschrift heißt es:

»Tom Thumb, König Artus‘ Ritter, hier liegt
Vom grausamen Biss einer Spinne besiegt …«

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