Das Märchen von dem Myrtenfräulein

Das Märchen von dem Myrtenfräulein ist ein Kunstmärchen von Clemens Brentano, enthalten in den Italienischen Märchen (1806-1811). Die Märchensammlung basiert auf dem Pentameron des Italieners Giambattista Basile, wobei Brentanos Myrtenfräulein Basiles Heidelbeerzweig entspricht. Auch das Märchen Die Nelke von den Brüdern Grimm verwendet das Motiv des »Blumenmädchens«.

Inhalt

Ein Töpfer und seine Frau wünschen sich so sehr ein Kind und bekommen doch keins. Einmal schenkt der Mann seiner Frau zwei getöpferte Ziergefäße, eine Wiege und einen Pflanztopf. Die Frau stattet die Wiege mit Bettzeug aus und füllt das Pflanzgefäß mit fruchtbarer Erde. In der darauffolgenden Nacht gibt es ein heftiges Gewitter, und am Morgen liegt auf ihrem Kissen ein Myrtenreis. Sie dankt Gott, dass er ihr endlich doch etwas Lebendiges geschenkt hat, und steckt das Reis in den Pflanztopf, wo es zu einem prächtigen Myrtenbaum heranwächst.

Eines Tages kommt Prinz Wetschwuth, Herrscher des Reiches Porzellanien, ins Haus des Töpfers. Von der Schönheit der Myrte wie gebannt, möchte er sie dem Paar abkaufen. Die Töpfersfrau kann aber nicht ohne ihre Myrte leben, und der Prinz meint, ohne sie sterben zu müssen. Deshalb kommt schließlich nicht nur die Myrte, sondern auch das Töpferpaar an den Hof des Prinzen. Der »Einzug« der Myrte wird zu einem großen Fest, nur neun junge Damen (»Fräulein«) empfinden keine Freude, sondern Neid. Jede von ihnen macht sich Hoffnungen, die Frau des Prinzen zu werden, und so gesehen bekommt die Myrte — wenngleich nur ein Baum — eindeutig zu viel Aufmerksamkeit vom Prinzen.

Unter der Fürsorge des Prinzen gedeiht die Myrte noch prächtiger als zuvor. Es scheint ihm, als ob die Myrte ihm zusäuselt, und schließlich zeigt sich, dass tatsächlich ein wunderschönes Mädchen in der Myrte lebt. Er macht ihr einen Heiratsantrag, und sie sagt ja. Allerdings muss sie noch bis zur Hochzeit in der Myrte leben. Sie verabreden, dass der Prinz, wenn für die Hochzeit alles geregelt ist, ein Glöckchen läutet, das an der Myrte hängt. Die Hochzeitspläne des Prinzen erfreuen die ganze Stadt, auch wenn man von der Braut nur weiß, dass ihr Name mit M beginnt.

Nur die neun Fräulein freuen sich nicht. Während der Prinz zur Jagd weilt, dringen sie in dessen Gemächer ein, wobei sie noch ein zehntes Mädchen hinzunehmen, um die Tat später ihr in die Schuhe zu schieben. Doch in der Stube finden sie nichts weiter als einen Myrtenbaum. An dem lassen sie ihre Wut und Enttäuschung aus, wobei unbeabsichtigt auch das Glöckchen zu läuten beginnt. Das Myrtenfräulein tritt hervor — und wird von den neun tobenden Mädchen regelrecht in Stücke gehackt, während die zehnte entsetzt zusieht. Am Ende nimmt jede der neun einen Finger der Braut als Trophäe; die zehnte nimmt traurig eine Locke.

Der Kammerdiener findet die zerstörte Myrte, und daneben weinend das zehnte Mädchen, das ihm die böse Tat schildert. Er füllt die Überreste des Myrtenfräuleins samt Erde wieder in den Topf, sodass es aussieht wie ein Grabhügel. Dann flieht er, denn er füllt sich schuldig, weil er die Myrte nicht geschützt hat. Der Prinz ist untröstlich, ebenso die Eltern, die eben erst vom Prinzen erfahren haben, dass sie mit der Myrte seit langem die stets ersehnte Tochter haben. Die drei pflegen den zerstörten Myrtenbaum mit all ihrer Liebe, sodass er wieder austreibt. Bald beginnt er auch wieder zu säuseln: Das Myrtenfräulein fordert seine neun gestohlenen Finger zurück, dann kann es auch wieder als Menschenkind erscheinen.

Der Prinz lässt bekannt machen, wer ihm die schönsten Myrtenzweige bringt, solle seine königliche Hand haben. Das lassen sich die neun Mörderinnen nicht zweimal sagen, denn schließlich sind sie im Besitz der schönsten Myrtenzweige (die Finger der Braut). Dadurch erwecken sie das Myrtenfräulein unbeabsichtigt wieder zum Leben und offenbaren gleichzeitig ihre Schuld. Letzteres ist ihnen offenbar nicht bewusst, denn vom Prinzen befragt, was die rechte Strafe für jemanden sei, der dem Myrtenfräulein ein Leid antut, antworten sie: den möge der Erdboden verschlingen, auf dass nur noch seine gespreizte Hand rausschaut. So geschieht es denn, und so ist das Fünffingerkraut (Potentilla reptans) entstanden, das bekanntlich wächst wie nichts Gutes, und zwar kriechend. Der Prinz heiratet seine Myrte und der Kammerdiener das brave, zehnte Mädchen.

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