Die wahre Braut

Die wahre Braut ist ein Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, ab 5. Auflage, KHM 186). Das Märchen verbindet das Aschenputtel-Motiv (fleißiges Mädchen wird von der Stiefmutter mit unsinniger Hausarbeit schikaniert) mit dem Motiv der vergessenen Braut, die ihren Liebsten nach langer Wanderung wiederfindet und sich ihm mit Beharrlichkeit in Erinnerung bringt.

AT 313 und 510A

Illustration von Arthur Rackham zu dem Märchen Die wahre Braut von den Brüdern Grimm
Die wahre Braut. Illustration Arthur Rackham (Little Brother & Little Sister and other Tales by the Brothers Grimm, Dodd, Mead and Company, New York, 1917)

Inhalt

Ein schönes, fleißiges Mädchen, das seine Mutter früh verloren hat, wird von der missgünstigen Stiefmutter mit immer schweren Aufgaben schikaniert. Eines Tages soll sie innerhalb eines Tages zwölf Pfund Federn abschleißen. Für den Fall, dass sie es nicht schafft, droht ihr eine Tracht Prügel. Sie weint und schluchzt, sodass das kleine Federhäufchen, das sie bisher geschafft hat, davonfliegt.

Daraufhin tritt eine freundliche, alte Frau zu ihr und fragt, was sie so bekümmert. Das Mädchen erzählt ihre traurige Geschichte, doch die Alte tröstet sie — sie sei gekommen, um ihr zu helfen. Und tatsächlich ist die Arbeit, während sich das Mädchen ausruht, erledigt. Die Stiefmutter kann es kaum glauben und trägt ihr eine noch unmöglichere Arbeit auf: Sie soll mit einem löchrigen Löffel einen Teich ausschöpfen. Doch auch das gelingt dank der Hilfe der freundlichen Alten. Daraufhin denkt sich die Stiefmutter etwas schier Unmögliches aus: das Mädchen soll binnen eines Tages ein Schloss mit allem drum und dran bauen.

Doch auch dies gelingt auf wundersame Weise. So sehr sich die Stiefmutter auch müht — sie kann nichts finden, was irgendwie zu beanstanden wäre. Als sie den Keller inspiziert, stürzt sie die Treppe hinunter und ist tot. So gehört das prächtige Schloss ganz allein dem schönen Mädchen, was sich schnell im ganzen Land und darüber hinaus herumspricht. Von überall her kommen Freier, aber keiner gefällt ihr.

Endlich kam auch der Sohn eines Königs, der ihr Herz zu rühren wußte, und sie verlobte sich mit ihm.

Im Schlossgarten unter der grünen Linde küsst sie ihn auf die linke Wange und verspricht, auf ihn zu warten, während er seinen Vater um seine Einwilligung bittet. Doch als er nach vier Tagen immer noch nicht zurück ist, ahnt sie, dass er sie vergessen hat, und begibt sich auf die Suche nachh ihm. Sie packt drei ihrer schönsten Kleider ein sowie ein paar Edelsteine und zieht los. Als sie ihn nach langer Wanderung noch immer nicht gefunden hat, versteckt sie ihre kostbaren Kleider und verdingt sich als Hirtin. Eines Tages verbreitet sich die Kunde, dass die Tochter des Königs heiraten wolle. Und kurz darauf reitet der stolze Bräutigam auf seinem Weg zur Hochzeit an ihr und ihrer Herde vorüber — es ist ihr Liebster, von dem sie nun weiß, dass er sie tatsächlich vergessen hat.

Sie holt ihre versteckten Kleider hervor und zieht eins davon, das mit goldenen Sonnen bestickte, an. So gekleidet und mit langen, offenen Haaren begibt sie sich zur Stadt, wo die Ankunft des Bräutigams mit einem großen Fest gefeiert wird. Alle staunen die schöne Fremde an, und der Königssohn tanzt mit ihr. Doch er erinnert sich nicht. Am nächsten Abend legt sie das Mondkleid an, in dem sie noch schöner strahlt als am Tag davor. Wieder ist der Königssohn zum Ärger seiner Braut ganz hingerissen von der Fremden, doch er erkennt sie noch immer nicht. Am dritten Abend kommt sie im Sternenkleid.

Der Königssohn hat nur noch Augen für sie und fragt, wer sie sei; ihm wäre, als ob er sie schon seit langer Zeit kenne. Da küsst sie ihn wieder auf die linke Wange, wie damals unter der Linde. Endlich fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Ohne Zögern verlässt er mit ihr den Hof der falschen Braut. Zusammenfahren sie zum Schloss der wahren Braut, das auf wundersame Weise erleuchtet ist und wo der Priester das Paar schon erwartet.

Märchen mit ähnlichen Motiven

Auffällig ist auch der Vers, den das Mädchen in ihrer Zeit als Hirtin an ihr Lieblingskälbchen richtet:

Kälbchen, Kälbchen, knie nieder,
vergiß nicht deine Hirtin wieder,
wie der Königssohn die Braut vergaß,
die unter der grünen Linde saß.

Ähnlich wie in den auf den ersten Blick nicht besonders ähnlichen Märchen Die Gänsemagd und Brüderchen und Schwesterchen steht das Huftier (hier das Kalb, dort das Pferd bzw. das Reh) für die Verbindung zwischen den beiden gegensätzlichen »Erscheinungsformen« (Stolz und Erniedrigung) der Heldin, und in allen drei Märchen wird das Tier mit einem eigentümlichen Vers angesprochen.

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