Märchen in Bildern: Schneewittchen
Das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen gehört neben Dornröschen, Aschenputtel und Rotkäppchen zu den besonders oft illustrierten Märchen. Auffällig bei diesen Märchenillustrationen ist die große Zahl der verschiedenen Bildmotive: sie zeigen Schneewittchen mit dem Jäger im Wald, vor und in dem Häuschen der Zwerge, umringt von ihnen oder scheinbar tot in ihren Armen, schließlich im gläsernen Sarg liegend, oft daneben der Königssohn, der den Sarg forttragen lässt. Zahlreiche Bilder gibt es auch von der bösen Stiefmutter – vor ihrem Zauberspiegel, in ihren verschiedenen Verkleidungen vor dem Häuschen der Zwerge, gelegentlich auch vor ihrem unrühmlichen Ende auf der Hochzeit von Schneewittchen. Auf ein Detail haben fast alle Illustratoren größten Wert gelegt: die schwarzen Haare des Schneewittchens, eine Abweichung von den ansonsten vorzugsweise blonden Märchenheldinnen. Um dieses äußere Merkmal hervorzuheben, verzichteten die Künstler auf Hauben oder ähnliche Kopfbedeckungen und malten das Mädchen meist mit langem, offenem Haar.
Deutsche Ausgaben
Theodor Hosemann
Theodor Hosemann (*1808, †1857) illustrierte eine frühe Einzelausgabe des Märchens Schneewittchen (Sneewittchen. Ein Kindermärchen mit 17 Bildern, Winkelmann, Berlin, 1867). Hier sehen wir, wie Schneewittchen den Jäger anfleht, sie am Leben zu lassen.
Paul Meyerheim
Die Illustrationen des Malers Paul Meyerheim (*1842, †1915) erschienen erstmals in der 20. Auflage der Kleinen Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen (1874). Für Schneewittchen wählte der Künstler das idyllische Motiv der sieben Zwerge, die von dem freundlichen fremden Mädchen bekocht werden.
Alexander Zick
Alexander Zick (*1845, †1907) schuf mehrere Märchenillustrationen zu Schneewittchen (Märchen für Kinder, Verlag Grote, Berlin, um 1880), Schneewittchen mit dem Jäger:
… die böse Stiefmutter als Bäuerin verkleidet, die Schneewittchen den verhängnisvollen Apfel reicht
und schließlich Schneewittchen im Glassarg, getragen von den Zwergen und wehmütig betrachtet vom Königssohn:
Carl Offterdinger
Carl Offterdinger (*1829, †1889) schuf zwei Schneewittchen-Illustrationen (Mein erstes Märchenbuch, um 1885). Die eine zeigt Schneewittchen im Kreis der Zwerge; auf der anderen erhält das Mädchen Besuch von ihrer Stiefmutter, die als Händlerin verkleidet »schöne Schnüre« feilbietet.
Victor Paul Mohn
Der Maler V.P. Mohn (*1842, †1911) war ein Schüler von Ludwig Richter und wurde vor allem als Landschaftsmaler bekannt. Er trat auch als Illustrator in Erscheinung (u.a. zahlreiche Illustrationen in Märchen-Strauß für Kind und Haus, Verlag Georg Stilke, Berlin, 1882). Das hier gezeigte Schneewittchen-Bild entstammt der 1893 beim Verlag Hertz, Berlin, erschienenen Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen.
Hermann Vogel
Hermann Vogel (*1854, †1921) war ein Maler und Illustrator aus dem Vogtland (Sachsen). Er führte nach seiner Geburtsstadt Plauen auch den Künstlernamen Hermann Vogel-Plauen. Vogel illustrierte Abenteuerromane, Heldensagen, die Märchen und Sagen von Musäus sowie die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (Verlag Braun & Schneider, 1894). Sein Schneewittchen-Bild wirkt besonders idyllisch. Hier sehen die Zwerge nicht wie kleine alte Männer aus, sondern wie Kleinkinder in verschiedenen typischen Körperhaltungen. Bemerkenswert aber ist die Haarfarbe von Vogels Schneewittchen – bei ihm ist sie blond!
Thekla Brauer
Hier ein romantisches Bild von Schneewittchen im Glassarg. Am Fußende steht ein weinender Zwerg, Tiere blicken mitfühlend auf den Sarg und der Vollmond sorgt für angemessene Beleuchtung. Die Illustratorin Thekla Brauer (*1856, †1943) schuf neben diesem Bild sechs weitere Märchenillustrationen zu Schneewittchen für eine Zusammenstellung Grimm’scher Märchen. (Fünfzig Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, Otto Spamer, Leipzig, 1895.)
Franz Jüttner
Der Maler Franz Jüttner (*1865, †1926) illustrierte für die Reihe Scholz‘ Künstler-Bilderbücher das Märchen Schneewittchen (Einzelausgabe mit dem Titel Sneewittchen, erschienen 1906 als sechstes Buch der Reihe, Verlag Josef Scholz, Mainz). Insgesamt hat das Buch neun Bilder (inkl. Coverbild), von denen drei mit den typischen Motiven ausgewählt wurden. Das erste zeigt Schneewittchen mit Zwergen.
Im zweiten liegt Schneewittchen auf dem Boden, nachdem die Stiefmutter sie vergiftet hat.
Und im dritten ist sie gerade in ihrem Glassarg aufgewacht und lächelt den Königssohn an.
Lothar Meggendorfer
Ebenfalls eine Einzelausgabe des beliebten Märchens illustrierte Lothar Meggendorfer (*1847, †1925). Das Bilderbuch Schneewittchen. Ein Märchen in zwölf Bildern erschien um 1910 beim Verlag Weise, Stuttgart. Ausgewählt wurden wieder drei typische Motive. Auf dem ersten Bild erhält Schneewittchen Besuch von der verkleideten Stiefmutter.
Auf dem zweiten finden die Zwerge Schneewittchen am Boden liegend.
Und zum Schluss sehen wir Schneewittchen im Glassarg, der von den Zwergen getragen wird.
Eugen Klimsch
Das folgende Bild stammt von dem Maler Eugen Klimsch (*1839, †1896) und erschien vermutlich erstmals in dem Band Grimms Märchen, Verlag Loewe, Stuttgart, 1923. Es zeigt ein besonders beliebtes Motiv, nämlich die Szene, wie die sieben Zwerge in ihrem Haus das schlafende Schneewittchen entdecken.
Außerhalb Deutschlands
Von den zahlreichen Märchenillustrationen zu Schneewittchen, die außerhalb Deutschlands entstanden sind, wurden hier nur drei Beispiele von bedeutenden Märchenillustratoren ausgewählt.
Arthur Rackham
Das Schneewittchen von Arthur Rackham (*1867, †1939) heißt Snowdrop und wird gerade von den Zwergen reanimiert. Das Bild erschien zuerst in The Fairy Tales by the Brothers Grimm, London, 1909. Später wurde es auch in dem Band Snowdrop & other Tales by the Brothers Grimm, 1920, verwendet.
Warwick Goble
Auf dem Bild von Warwick Goble (*1862, †1943) bestaunen die Zwerge das schöne, dunkelhaarige Mädchen, das in ihrem Haus Zuflucht gesucht und gefunden hat. Das Bild stammt aus dem Sammelband The Fairy Book, ed. Dinah Craik, McMillan, 1913, der nicht nur Märchen der Brüder Grimm enthält.
Anne Anderson
Die gleiche Szene hat auch die schottische Illustratorin Anne Anderson (*1874, †1930) für ihr Schneewittchen-Bild gewählt (erschienen in Grimm’s Fairy Tales, 1922). Wie alle Bilder der Künstlerin wirkt auch dieses eher freundlich, hell und warm anstatt düster und bedrohlich.