Die zwei Brüder

Die zwei Brüder ist ein Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, ab der zweiten Auflage, KHM 60). Das ungewöhnlich lange Märchen verbindet verschiedene, teils sehr alte Motive: das der Zwillingsbrüder (ATU 303, vgl. Die Goldkinder, Brüder Grimm; Der Kaufmann, Basile; Die bezauberte Hirschkuh, ebenfalls Basile), das des Drachentöters (ATU 300, siehe Die drei Hunde) sowie als Einleitung (später aber nicht wieder aufgegriffen) das Motiv des Goldvogels (vgl. Der goldene Vogel). Sehr ähnlich ist das nur in der ersten Auflage der Kinder- und Hausmärchen enthaltene Märchen Von Johannes-Wassersprung und Caspar-Wassersprung, dem jedoch der Einstieg mit dem Goldvogel fehlt und das zudem kürzer und mit weniger Ausschmückungen erzählt wird.

Illustration von Eleanor Abbott zu dem Märchen Die zwei Brüder
Die zwei Brüder. Illustration Elenore Abbott (Grimm‘s Fairy Tales, C. Scribner’s Sons, New York, 1920)

Inhalt

Ein armer Besenbinder entdeckt eines Tages beim Schneiden von Besenreisig einen goldenen Vogel. Der Vogel entkommt, hinterlässt jedoch eine goldene Feder. Diese bringt der Besenbinder seinem reichen Bruder, einem Goldschmied, der ihm dafür eine hübsche Summe Geld gibt. Das wiederholt sich mit einem goldenen Ei das Vogels, den der Besenbinder wieder an der gleichen Stelle im Wald aufspürt. Nun will der reiche Bruder aber den ganzen Vogel, und tatsächlich gelingt es dem Besenbinder, das kostbare Tier zu fangen.

Die Frau des Goldschmieds rupft ihn und brät ihn am Spieß. Währenddessen sind, was oft der Fall ist, die beiden Söhne des Armen im Haus ihres reichen Onkels. Als die Tante einen Moment nicht in der Küche ist und ein paar Fleischstücke vom Bratspieß herabfallen, greifen die Knaben zu und lassen sich die Bissen schmecken — wird schon keiner merken, denken sie. Doch da haben sie sich geirrt. Der Goldschmied bemerkt sofort, dass die besten Stücke fehlen, nämlich Herz und Leber. Er schimpft mit seiner Frau, ahnt jedoch nicht, dass seine Neffen sich beides einverleibt haben.

Was es damit auf sich hat, wird im Haus des Besenbinders bald offenbar, denn von nun an findet jeder der beiden Jungen morgens immer ein Goldstück unter dem Kopfkissen. Als dies dem Goldschmied zu Ohren kommt, redet er seinem Bruder ein, die Kinder stünden mit dem Bösen im Bunde. So führt der Besenbinder seine Kinder schließlich schweren Herzens in den tiefen Wald und überlässt sie ihrem Schicksal.

Sie haben Glück — ein freundlicher Jäger nimmt sie auf und lehrt sie das Jägerhandwerk. Die Goldstücke legt er für sie zurück, bis die Zeit gekommen ist, da sie sie brauchen werden. Als sie herangewachsen sind, fordert er von ihnen eine Schießprobe, und nachdem sie sie bestanden habe, gibt er jedem ein Gewehr und einen Jagdhund und lässt sie als freie Jäger ziehen. Für den Fall, dass sie sich eines Tages trennen sollten, gibt er ihnen ein Messer mit einer magischen Eigenschaft: die beiden Seiten der Klinge stehen für das Wohlergehen die Brüder. Sollte eine Seite rosten, weiß der andere Bruder gestorben ist.

Die Brüder jagen eine zeitlang gemeinsam. Eines Tages kommt ihnen ein Hase vor die Flinte, der um sein Leben fleht. Sie verschonen ihn und bekommen als Dank zwei Hasenjunge. Das gleiche erleben sie mit einem Fuchs, einem Wolf, einem Bären und einem Löwen. Schließlich trennen sie sich und ziehen jeder in Begleitung von fünf jungen, wilden Tieren allen weiter — der eine nach Westen, der andere nach Osten. An der Stelle, wo sich ihre Wege trennen, stoßen sie das Messer ihres Ziehvaters in einen Baum.

Der eine Bruder gelangt in eine Stadt, in der alles in schwarzen Trauerflor gehüllt ist. Er erfährt, dass um die Tochter des Königs getrauert wird, die sich gleichwohl noch bester Gesundheit erfreut, jedoch am nächsten Tag einem Drachen geopfert werden soll. Dieser hält das Land seit Jahren in Schach, indem er jedes Jahr eine Jungfrau fordert, die er vermutlich verspeist. Nachdem alle anderen Jungfrauen des Landes dem Drachen geopfert wurden, ist nun die Reihe an der Tochter des Königs. Der König hat seine Tochter demjenigen versprochen, der das Land von dem Drachen befreit. Schon viele mutige junge Männer haben versucht, dem Untier seine sieben Köpfe abgeschlagen, doch bisher ist keiner von dieser Mission lebend zurückgekehrt.

Der junge Jäger lässt sich davon nicht abschrecken. Mithilfe eines Zauberschwertes und seiner Tiere tötet er den Drachen und befreit die Prinzessin. Die findet Gefallen an ihm und auch an seinen Tieren. Als Zeichen ihrer Verbundenheit zerteilt sie ihr Korallenhalsband und bindet jedem der Tiere ein Stück davon um den Hals. Ihrem Befreier schenkt sie ihr Taschentuch. In dieses wickelt er die abgeschnittenen Drachenzungen. Anschließend schlafen Prinzessin und Jäger, ermattet von der Aufregung bzw. vom Kampf, neben dem getöteten Drachen ein. Auch die Tiere, die eigentlich aufpassen sollen, schlafen einer nach dem anderen ein, wobei die Verantwortung vom Löwen zum Wolf, von dem zum Fuchs und von diesem schließlich zum Hasen immer weiter delegiert wird.

Dies nutzt des Königs Marschall, der die Prinzessin zum Berg des Drachens geführt hatte, auf bösartige Weise aus. Er schlägt dem schlafenden Jäger den Kopf ab und führt die verängstigte Prinzessin, sich selbst als Retter ausgebend, heim zu ihrem Vater. Die Prinzessin wagt es nicht, den Betrüger anzuzeigen, doch immerhin erklärt sich der Vater bereit, die Hochzeit etwas aufzuschieben.

Währenddessen sind die Tiere aufgewacht und finden ihren Herren tot. Der Hase rennt, was er kann, um eine Zauberwurzel zu holen. Die Tiere setzen dem Jäger seinen Kopf wieder auf (beim ersten Versuch verkehrt herum) und erwecken ihn mit der Zauberwurzel wieder zum Leben. Doch er meint, die Prinzessin hätte ihn verlassen, und so irrt er eine Zeit lang ziellos umher. Irgendwann kommt er wieder in die Stadt, die bei seinem ersten Besuch in Trauer gekleidet war. Diesmal ist die Stadt mit roten Tüchern geschmückt. Er erfährt von seinem Wirt, dass der Marschall in der Stadt als Drachentöter gefeiert wird und seine Hochzeit mit der Prinzessin bevorsteht. Der Jäger wettet mit dem Wirt, dass er vom Brot der Hochzeitstafel essen wird. Um dies zu erreichen, schickt er den Hasen los, der von der Prinzessin an dem Korallenhalsband erkannt wird.

In vier weiteren Wetten geht es um ein Stück vom Braten, Gemüse, Naschwerk und Wein — all dies lässt der Jäger von seinen Tieren holen, die von den der Prinzessin am Korallenschmuck erkannt werden. Schließlich wettet der Jäger mit dem Wirt, dass er – und nicht der Marschall – die Prinzessin heiraten wird. Er tritt vor den König und erklärt, dass in Wirklichkeit er der Drachentöter sei. Der Marschall verweist auf die Drachenköpfe, die er als Beweis vorgelegt hat. Der Jäger bittet den König, nachschauen zu lassen, ob sich in den Drachenköpfen Zungen befinden. Natürlich werden keine gefunden, denn der Jäger hatte sie ja damals abgeschnitten. Der Marschall versucht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er behauptet, Drachen hätten keine Zungen. Daraufhin präsentiert der Jäger die Drachenzungen – und das Taschentuch der Prinzessin, in dem sie eingewickelt waren.

Der Jäger heiratet die Prinzessin und lebt mir glücklich und in Wohlstand. Seine Liebe zur Jagd führt ihn eines Tages in einen Zauberwald, wo er von einer weißen Hirschkuh in die Irre gelockt wird. Als er schließlich rastet, wird er von einem alten Weib angesprochen, das über ihm im Baum hockt. Sie hätte Angst vor seinen Tieren und könnte deshalb nicht herunter. Auf ihre Bitte hin schlägt er die Tiere mit einer Rute, die sie ihm herab wirft – und im nächsten Augenblick werden die Tiere zu Stein und rollen in einen Graben, wo schon unzählige ähnliche Steine liegen. Dies kann der Jäger gerade noch sehen; dann berührt ihn die Hexe selbst mit der Rute, und er wird ebenfalls zu Stein.

Sein Bruder bemerkt indes, dass die bisher so blanke Seite des Messers, die vom Wohlergehen seines Bruders kündet, auf einmal zu rosten beginnt. Er reist in die Stadt, in der sein Bruder inzwischen König ist. Dort halten ihn alle für diesen selbst. Als er abends mit seiner Frau zu Bett geht, legt er ein Schwert zwischen sie und sich. Sie ist darüber mehr als verwundert, wagt aber nicht zu fragen. Am nächsten Tag zieht er in den Zauberwald, aus dem – wie nur er weiß – sein Bruder nicht zurückgekehrt ist. Auch er trifft die Hexe, lässt sich jedoch nicht von ihr austricksen. Vielmehr schießt er sie mit Silberknöpfen von ihrem Baum und zwingt sie, die Steine wieder lebendig zu machen.

Glücklich schließen sich die Brüder in die Arme, doch als sie gemeinsam in die Stadt ziehen, wird der mit der Königstochter eifersüchtig. Es übermannt ihn der Zorn, dass der andere in der Nacht bei ihr gelegen hat, und so schlägt er ihm den Kopf ab. Sofort bereut er seine Untat, die zum Glück vom Hasen mit seiner Zauberwurzel ungeschehen gemacht wird. Gleichzeitig ziehen sie, jeweils in Begleitung ihrer fünf Tiere, in die Stadt ein; der eine von Westen, der andere von Osten. Nun muss die Prinzessin entscheiden, wer von den beiden ihr Ehemann ist. Sie erkennt ihn am Halsband des Löwen, und als sie abends zu Bett gehen, fragt sie ihn, wieso er in der letzten Nacht ein Schwert zwischen sich und sie gelegt habe. Nun weiß er, dass er seinen Bruder zu Unrecht verdächtigt hat. Alle werden glücklich.

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