Der Schneider im Himmel

Der Schneider im Himmel ist ein legendenartiges Märchen; enthalten in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (ab 2. Auflage, KHM 35). Wie in einigen Schwänken (zum Beispiel Bruder Lustig) geht es um einen armen Sünder, der mit den höheren Mächten (Gott, Teufel, Petrus) über den rechten Platz für seine Seele verhandelt. Jedoch treten hier die schwankhaften Elemente zurück gegenüber der eindeutigen Moral: Der Schneider wird letztlich nicht wegen seiner Sünden auf der Erde im Himmel abgewiesen, sondern wegen seiner Anmaßung, über andere Sünder zu urteilen.

Illustration von Heinrich Vogeler zu dem Märchen Der Schneider im Himmel
Der Schneider im Himmel. Illustration Heinrich Vogeler (Kinder- und Hausmärchen, Max Hesses Verlag, Leipzig, 1907)

Inhalt

Ein Schneider stirbt und macht sich auf den Weg Richtung Himmel. Hinkend und mit Blasen an den Füßen erreicht er die Pforte, doch Petrus will ihn nicht einlassen: der Schneider hat das eine oder andere Mal seine Kundschaft betrogen, indem er von deren Tuch etwas abgezwackt hat. Doch der Schneider jammert, verweist auf seinen lädierten Zustand und verspricht, die niedrigsten Arbeiten zu verrichten, sodass sich Petrus schließlich erweichen lässt.

Als Gott um die Mittagszeit mit seinen Erzengeln vor der Pforte spazieren geht, bittet er den Schneider, kurz auf das Himmelreich aufzupassen. Der Schneider kann es nicht lassen, sich auf den Stuhl des Herrn zu setzen, von dem aus er alles sehen kann, was auf der Erde vor sich geht. Er sieht eine Wäscherin, die am Fluss anderer Leute Wäsche wäscht. Da sie sich unbeobachtet wähnt, nimmt sie zwei zarte Schleier an sich, die offensichtlich einer vornehmen Frau gehören. Der Schneider hat vergessen, dass er in seinem Leben öfter selbst lange Finger gemacht hat. Vom Zorn gepackt wirft er einen Schemel nach der Diebin, die meint, der Teufel hätte nach ihr geworfen, und ohne ihr Diebesgut davon rennt.

Gott, der Herr, kommt zurück und vermisst seinen Schemel. Stolz erzählt ihm der Schneider, wie er den Schemel nach der Frau geworfen hat. Doch das erwartete Lob bleibt aus; stattdessen erinnert ihn Gott daran, dass es ihm selbst übel ergangen wäre, würde er über die Menschen so richten, wie es der Schneider vertretungsweise tat – wahrscheinlich hätte er längst sein ganzes Mobiliar eingebüßt. Nach dieser Belehrung wird der Schneider aus dem Himmel geworfen und muss bei den Soldaten Warteinweil leben.

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