Der Frieder und das Katherlieschen

Der Frieder und das Katherlieschen (in ursprünglicher Schreibweise Catherlieschen) ist ein Schwank aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (KHM 59).

Illustration von Otto Ubbelohde zu dem Märchen Frieder und das Katherlieschen
Frieder und das Katherlieschen. llustration Franz Müller-Münster

Wie in dem Schwank Die kluge Else (ebenfalls Brüder Grimm) zeigt eine junge Frau (Katherlieschen) seltsame Verhaltensweisen, die zunächst als lustige Ungeschicklichkeiten durchgehen mögen, sich dann aber zu befremdlicher Verwirrtheit und schließlich zum Wahnsinn steigern. Ein halbwegs versöhnliches Ende wie in dem ähnlichen Schwank Vardiello von Giambattista Basile gibt es nicht; vielmehr endet die Geschichte mit der vollständigen psychischen Zerrüttung der weiblichen Titelfigur. Der im Titel ebenfalls genannte Ehemann Frieder wäre von der Figurenkonstellation her dazu prädestiniert, »das Böse« zu besiegen, das von seiner Frau mehr und mehr Besitz ergreift, doch bleibt er während der gesamten Handlung stoisch-passiv. Das düstere Ende verweist auf die in früheren Jahrhunderten weit verbreitete Vorstellung, dass Menschen mit unterschiedlichsten psychischen Störungen »vom Teufel besessen« sind. Der ungewöhnliche Name Katherlieschen, offenbar zusammengesetzt aus Katharina und Elisabeth (Lieschen), könnte auf eine Identitätsstörung hindeuten.

Inhalt

Frieder und sein Katherlieschen sind ein junges Ehepaar. Als Frieder eines Tages zur Arbeit aufs Feld geht, sagt er zu Katherlieschen, sie solle dafür sorgen, dass bei seiner Heimkehr etwas Gebratenes auf dem Tisch steht, dazu ein guter Schluck zu trinken. Um die Mittagszeit holt Katherlieschen eine Wurst aus dem Schornstein und legt sie in die Pfanne.

Während die Wurst in der Pfanne brutzelt, fällt der jungen Hausfrau ein, sie könnte schon mal einen Krug Bier aus dem Keller holen. Sie geht nach unten und dreht den Hahn vom Bierfass auf. Während das Bier in den Krug läuft, kommt ihr plötzlich in den Sinn, dass sie den Hund nicht angekettet hat und dieser die Gelegenheit nutzen könnte, sich eine gute Wurst zu holen. Schnell rennt sie wieder nach oben, doch der Hund hat die Wurst schon im Maul. Der Versuch, sie ihm wieder abzunehmen, ist natürlich zum Scheitern verurteilt. Der Hund ist schneller und denkt nicht daran, die Wurst einfach fallen zu lassen.

Erschöpft gibt Katherlieschen auf. Als sie wieder etwas bei Atem ist, fällt ihr ein, dass sie den Hahn vom Bierfass nicht zugedreht hat. Also schnell zurück in den Keller. Doch als sie ankommt, ist das ganze Fass schon leer und das Bier auf dem Kellerboden. Damit ihr Mann nichts merkt, überlegt Katherlieschen, wie sie das Malheur möglichst schnell unsichtbar machen kann. Da kommt ihr der Sack Mehl in den Sinn, den sie noch haben. Sie schüttet das Mehl auf den Biersee, um alles leicht wegfegen zu können. Dabei stößt sie auch noch den gefüllten Krug um, sodass Frieder nicht nur keine Wurst, sondern auch kein Bier haben wird.

Doch Katherlieschen freut sich, wie hübsch sauber nun alles wieder ist. Als Frieder nach Haus kommt, will er natürlich wissen, warum kein Essen auf dem Tisch steht. Katherlieschen erzählt ihm freimütig von all ihren Missgeschicken. Frieder belässt es dabei ihr zu sagen, das hätte sie nicht tun sollen. Woraufhin Katherlieschen meint, das hätte er ihr vorher sagen müssen. Frieder ist nun immerhin klar, dass seine Frau nicht besonders hell im Kopf ist und er ihr deswegen nicht alles anvertrauen kann. Er hat einige Taler gespart und sie kürzlich in Goldstücke umgetauscht, die es nun möglichst sicher im Haus zu verstecken gilt.

Seiner Frau erzählt er, dies seien »gelbe Gickelinge«1 und vergräbt sie dann im Stall unter der Futterkrippe. Katherlieschen schärft er ein, dass sie ja nicht dran gehen solle.

Katherlieschen verspricht’s, versteht aber nicht die Bedeutung ihrer Worte. Wenig später, als Frieder wieder außer Haus ist, kommen zwielichtige Krämer vorbei, die ihr irdene Töpfe verkaufen wollen. Katherlieschen bedauert, sie hätte kein Geld, aber vielleicht wären die Krämer ja mit goldenen Gickelingen zufrieden? Die Gauner werden hellhörig, ahnen, dass die Frau nicht ganz richtig im Kopf ist. Katherlieschen macht es ihnen leicht: Sie selbst dürfe an die Gickelinge nicht dran gehen, weil es der Frieder ihr verboten hat. Aber wenn die Herren die Gickelinge selbst ausgraben würden, soll es recht sein.

Die Gauner verschwinden mit dem Gold und überlassen dem Katherlieschen sämtliche Töpfe. Die setzt noch ein i-Tüpfelchen auf ihr verrücktes Tun, indem sie ihre alten Töpfe als Verzierung auf die Latten ihres Zauns setzt. Die ungewöhnliche Dekoration lässt Frieder, als er nach Hause kommt, nichts Gutes ahnen. Katherlieschen erzählt ihm treuherzig, dass sie sich an ihr Versprechen gehalten habe: sie habe die Gickelinge nicht angerührt, die Krämer hätten sie selbst ausgraben müssen. Frieder fasst sich an den Kopf, belässt es aber auch diesmal bei dem Tadel, das hätte sie nicht tun dürfen. Woraufhin Katherlieschen wieder meint, das hätte er ihr vorher sagen müssen.

Von nun an läuft die Sache aus dem Ruder. Das Ehepaar nimmt die Verfolgung der Betrüger auf. Da diese schon einigen Vorsprung haben, bittet Frieder das Katherlieschen, Brot, Käse und Butter als Proviant einzustecken. Frieder ist besser zu Fuß und deshalb schon ein Stück voraus, als sie einen Berg hoch laufen, wo der Weg von den Rädern ganz zerfurcht ist. Katherlieschen hält die Furchen für Narben der Erde und bestreicht diese aus Mitleid mit Butter. Beim Bücken rollt ihr ein Käse aus der Tasche, immer weiter den Berg hinunter. Katherlieschen wirft einen zweiten Käse hinterher, auf dass dieser seinen Kollegen zurückhole. Dem zweiten Käse folgt ein dritter usw., bis der gesamte Proviant den Berg hinab gerollt ist.

Ihr Mann wartet derweil oben auf dem Berg auf sie und ist schon ganz hungrig. Doch es gibt nur noch trockenes Brot, und als ihm Katherlieschen erklärt warum, nimmt er ihre Blödheit wieder stoisch zur Kenntnis (»hättest du nicht tun sollen« – »hättest du mir vorher sagen müssen«). Trotzdem gelingt es den beiden, den Gaunern die Goldstücke wieder abzuknöpfen, wobei die Eskapaden von Katherlieschen zunehmend wirr und grotesk werden. (Unter anderem bindet sie sich die Haustür auf den Rücken, die sie auf Geheiß ihres Mannes verwahren sollte. Sie meint, auf ihrem Rücken wäre die Tür am sichersten verwahrt. Mittels dieser Tür bringt Katherlieschen die Gauner dann zur Strecke.)

Die Tatsache, dass sie das Gold wiederhaben, lässt Frieder hoffen, dass die Verwirrtheit seiner Frau sich bessert. Er ermahnt sie, von nun an recht fleißig zu sein. Doch als sie allein auf dem Feld ist, legt sie sich zuerst schlafen, anstatt das Korn zu schneiden. Dann zerschneidet sie sich, halb im Traum, sämtliche Kleider und legt sich wieder schlafen. Nachts klopft sie halb nackt an ihr eigenes Haus und fragt, ob Katherlieschen da sei. Der stoische Frieder antwortet: »Ja, ja«, was Katherlieschen zu dem Schluss bringt, dass sie nicht sie selbst sei. Sie schließt sich einer Bande von Spitzbuben an, die ihr sagen, sie solle auf dem Feld des Pfarrers Rüben stehlen. Katherlieschen tut, was ihr die Spitzbuben gesagt haben. Ein zufällig vorbeikommender Mann hält die wahnsinnige Frau für den Teufel und ruft den Pfarrer herbei, der sie ebenfalls für den Teufel hält.

  1. Die Bedeutung des Wortes »Gickeling« konnte nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Möglicherweise ist eine Zahlmünze (Scheidmünze) von geringem Wert gemeint, also im Sinne von Nickel (Nickelmünze). Angesichts der Absurdität der Geschichte könnte das Wort aber auch eine regionale Bezeichnung für etwas Alltägliches, Minderwärtiges sein, etwa für Pfifferlinge, deren einst geringer Wert sich in der Redewendung »keinen Pfifferling wert« widerspiegelt, oder aber für gelbe Pflaumen, was wegen der später auftretenden Hutzeln (getrocknete Birnen, bei der Verfolgung der Diebe als Wegzehrung mitgenommen) plausibel wäre.

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