Das Bürle

Das Bürle ist ein Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 61). Das Schwankmärchen ist bekannter in der Version von Hans Christian Andersen, bei dem es den Titel Der große Klaus und der kleine Klaus trägt.

Illustration von Otto Ubbelohde zum Märchen Das Bürle von den Brüdern Grimm
Das Bürle. Illustration Otto Ubbelohde (Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm, Turm-Verlag Leipzig, 1907-09)

Inhalt

In einem Dorf leben lauter wohlhabende Bauern. Nur einer, den die anderen herablassend »das Bürle« (Bäuerlein) nennen, ist so arm, dass er nicht eine einzige Kuh besitzt. Weil er so gern eine hätte, lässt er sich vom Schreiner ein Kälbchen aus Holz machen, hübsch angestrichen und mit hängendem Kopf, sodass es aussieht, als würde es fressen. Den Hirten, der die Kühe des Dorfes zur Weide treibt, bittet er sein Kälbchen zu tragen, weil es noch so klein ist.

Nachdem das Kälbchen den ganzen Tag allem Anschein nach auf der Weide gefressen hat, mag der Hirte es abends nicht wieder ins Dorf zurück tragen, denn sicher könne es nun alleine laufen. Das Bürle weiß, dass damit nicht zu rechnen ist, und geht zur Weide, um es zu holen. Doch es wurde inzwischen gestohlen, auch wenn der Hirte meint, es sei einfach weggelaufen. Das Bürle bringt den Hirten vor den Schultheiß, der ihn dazu verurteilt, dem Bürle als Ersatz für das entlaufene Kalb eine Kuh zu geben.

Nun hat das Bürle tatsächlich die Kuh, die es so gerne wollte. Leider ist die Freude nicht von Dauer, denn weil er nicht genug Futter hat, muss das gute Tier bald geschlachtet und das Fleisch eingepökelt werden. Mit dem Fell geht das Bürle zum Markt, um für den Erlös ein neues (echtes) Kälbchen zu kaufen. Unterwegs liest er einen Raben mit gebrochenem Flügel auf und wickelt ihn aus Mitleid in das Fell der Kuh. Als ihn Unwetter das Weitergehen unmöglich macht, bittet er bei einer Mühle um Unterschlupf.

Die Müllerin ist allein zu Haus und speist ihn mit einem Käsebrot und einem Strohlager ab. Kaum hat er sich niedergelegt, beobachtet er, wie die Müllerin ganz geschäftig wird — offensichtlich erwartet sie am späten Abend noch Besuch. Sie trägt Braten, Salat, Kuchen und Wein auf. Dann kommt der Gast: der Herr Pfarrer. Doch bevor sie es sich so recht schön machen können, kehrt unerwartet der Müller zurück. Eilig versteckt die Müllerin den Braten, den Kuchen, den Salat, den Wein und den Herrn Pfarrer. Der Müller begrüßt den armen Schlucker auf seinem Strohlager und isst mit ihm ein Käsebrot (weil die Frau angeblich nichts Besseres da hat).

Das Bürle erzählt ihm, in seinem Kuhfell sitze ein Wahrsager, und bietet auch gleich eine Kostprobe. Allerdings würde der Wahrsager immer nur vier Dinge sagen und das fünfte für sich behalten. Jedesmal, wenn das Bürle in den Fellbeutel langt und dem Raben auf den Kopf drückt, gibt der ein Krächzen von sich, das das Bürle für den Müller übersetzt: unterm Bett befindet sich Kuchen, unterm Kopfkissen Wein, im Küchenschrank Salat und im Ofen ein Braten. Der Müller staunt und lässt sich die Speisen schmecken, doch zu gerne möchte er auch noch die fünfte Sache wissen. Das Bürle ziert sich, und die Müllerin und der Pfarrer im Dielenschrank zittern. Für 300 Taler lässt das Bürle sich schließlich herbei, dem Müller die fünfte Sache zu verraten: im Dielenschrank befindet sich der Teufel! Der Pfarrer rennt, was er kann, der Müller ihm hinterher und das Bürle macht sich mit den 300 Talern davon.

Im Dorf fällt bald auf, dass es dem Bürle wirtschaftlich immer besser geht. Um herauszufinden, woher sein plötzlicher Wohlstand rührt, bringt man ihn vor den Schultheiß. Er behauptet, dass er die 300 Taler für das Fell seiner Kuh bekommen hat, woraufhin alle Bauern im Dorf ihre Kühe schlachten. Als sie dann nur bestenfalls 3 Taler für ihre Felle bekommen, trifft ihre Wut das Bürle. Er wird zu Tode verurteilt, und zwar soll er in eine Tonne gesteckt und im See versenkt werden. Gewitzt wie das Bürle ist, findet er auch diesmal einen Ausweg. Zufällig kommt ein Schäfer vorbei, von dem er weiß, dass er seit langem den Wunsch hat, Schultheiß zu werden.

Das Bürle ruft laut und immer wieder: »Nein, ich tu’s nicht!« Neugierig fragt der Schäfer, was er nicht tun will. Das Bürle behauptet, man wolle ihn zum Schultheiß machen, aber dafür müsse er in dieses Fass steigen. Und das wolle er nicht. Der Schäfer, der so gern Schultheiß wäre, zögert nicht und steigt in das Fass. Er wird anstelle des Bürles ertränkt, während das Bürle seine Herde übernimmt. Die Nachbarn sind erstaunt, das Bürle frisch und munter mit einer prächtigen Schafherde wiederzusehen. Er macht ihnen weis, auf dem Grund des Sees wären herrliche Wiesen mit Unmengen von Schafen. Er hätte sich eine Herde ausgesucht und wäre wieder nach oben gekommen. Die Gier der Bauern ist größer als ihr Verstand. Einer nach dem anderen stürzen sie sich in den See, um auch Schafe zu holen. Keiner ward je wieder gesehen, und der gesamte Reichtum des Dorfes fällt an das Bürle.

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