Das Märchen vom Schlaraffenland

Dieser Artikel behandelt Das Märchen vom Schlaraffenland von Ludwig Bechstein (Deutsches Märchenbuch, DMB 50). Bechsteins Fassung entspricht der Vorstellung von einem Utopia, in dem es für Jedermann Nahrung im Überfluss gibt. Mühselige Arbeit ist überflüssig und Faulheit gilt sogar als Tugend. Am Ende lässt es Bechstein allerdings nicht an moralisierenden Wertungen fehlen um klarzustellen, dass ein solches, zunächst verlockend scheinendes Utopia nicht anzustreben ist.

Das Märchen vom Schlauraffenland aus der Sammlung der Brüder Grimm ist dagegen ein reines »Lügenmärchen«, in dem die utopische Idee nicht mehr vorkommt.

Das Schlaraffenland. Teil einer Postkartenserie von Oskar Herrfurth

Inhalt

Die Geschichte ist im Stil eines Berichts abgefasst und beginnt mit den den Worten

Hört zu ich will euch von einem guten Lande sagen, dahin würde mancher auswandern, wüßte er, wo selbes läge,…

Hierauf folgt die fantastisch anmutende Beschreibung der Vorzüge des Landes, das den Namen »Schlaraffenland« trägt. Zum Beispiel sind die Dächer der Häuser mit Eierkuchen gedeckt und die Zäune aus Bratwürsten geflochten. Aus den Brunnen kommt süßer Wein statt Wasser, aus manchen sogar Champagner. An den Bäumen wachsen frische Brötchen, während unter den Bäumen Milchbäche fließen. Wer sein Brot eingetunkt mag, muss nur einen großen Löffel mitbringen.

Die Fische schwimmen, fertig zubereitet, in Ufernähe oben auf dem Wasser. Man muss sich noch nicht einmal bücken, denn wenn man »bst! bst!« ruft, springen sie einem direkt in die Hand. Die Vögel fliegen gebraten durch die Luft; wenn man mag, direkt in den Mund. Und die Spanferkel, die in Schlaraffenland überaus trefflich gedeihen, laufen mit Tranchiermessern im Rücken herum, sodass man sich jederzeit ein saftiges Stück herausschneiden kann.

Kleider, Hüte, Schuhe und sonstige Accessoires wachsen an den Bäumen des Waldes. Wer eine alte Frau hat und sie nicht mehr mag, kann sie gegen eine junge, hübsche tauschen. Umgekehrt gilt das nicht, doch immerhin: Frauen können für drei, vier Tage in einen Jungbrunnen steigen, um wieder siebzehn, achtzehn Jahre zu werden.

In Schlaraffenland ist Faulheit eine Tugend und Fleiß ein Laster. Auch sonst sind die Wertvorstellungen ziemlich auf den Kopf gestellt. Gut lügen zu können, wird als hohe Kunst erachtet. Wer stets Gutes tut, muss damit rechnen, des Landes verwiesen zu werden. Wer dumm und dazu dünkelhaft ist, kann es ganz nach oben schaffen. Umgeben ist das Schlaraffenland von einer hohen Mauer aus Reisbrei, durch die sich jeder durchfressen muss, der hinein oder heraus will.

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