Guerrino und der Waldmensch

Guerrino und der Waldmensch ist ein Märchen von Giovanni Francesco Straparola (Ergötzliche Nächte, 1550-53). In den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ist ein ähnliches Märchen mit dem Titel Der Eisenhans enthalten. Dieser Märchentyp ist auch unter Namen wie Goldener, Prinz Goldhaar oder Goldenermärchen bekannt, was auf die goldenen Haare des Märchenhelden verweist. Bei Straparolas Guerrino und der Waldmensch hat dagegen nicht der Märchenheld, sondern die ihm versprochene Königstochter goldene Locken.

Inhalt

Ein König liebt die Jagd und trifft eines Tages im Wald auf einen wilden Mann, der über Bärenkräfte verfügt und so missgestaltet ist, dass er furchteinflößend wirkt. Dem König gelingt es, den Waldmenschen gefangen zu nehmen. Fortan fristet der Waldmensch seine Tage in einem Verließ, wo ihn der König fast täglich besucht. Den Schlüssel zum Verließ vertraut er der Königin an, die ihn immer bei sich trägt. Eines Tages, als der König auf der Jagd ist, bekommt des Königs Sohn, Guerrino, Lust den wilden Mann zu besuchen. Er hat seinen Bogen nebst einem vergoldeten Pfeil dabei. Schneller als er gucken kann, hält der Kerl hinter dem Gitter seinen schönen Pfeil in der Hand. Natürlich möchte Guerrino ihn wiederhaben. Deshalb lässt er sich dazu überreden, seiner Mutter, die gerade ein Mittagsschläfchen hält, den Schlüssel zum Verließ zu stehlen und den wilden Mann zu befreien.

Kaum in Freiheit sucht der wilde Mann schnellstens das Weite. Denn er weiß, dass der König ihn töten wird, sollte er ihn zu fassen bekommen. Als die Königin das Verließ geöffnet und leer vorfindet, macht sie den Dienern die Hölle heiß. Guerrino gesteht schließlich freiwillig, dass er es war, der den wilden Mann frei gelassen hat. Daraufhin drängt die Mutter ihren Sohn, den Hof schnellstmöglich zu verlassen, da ihn sonst der Vater ganz sicher töten würde. Sie gibt ihm zwei Diener, Pferde, Gold und Juwelen mit und verabschiedet ihn. Als der König heimkehrt und sowohl der Waldmensch als auch sein Sohn verschwunden sind, macht er seiner Frau bittere Vorwürfe. Doch es ist zu spät.

Guerrino kommt mit seinen Dienern weit in der Welt herum. Inzwischen ist er sechzehn Jahre alt und zu einem schönen, jungen Mann geworden. Gefahr droht ihm am ehesten von seinen Dienern. Diese tragen sich mit dem Gedanken, ihren jungen Herrn zu ermorden, werden sich aber über die Details nicht einig. In dieser Situation stößt ein fremder, schöner Ritter mit hervorragenden Manieren zu ihnen und schließt sich der Gruppe an.

Dieser Ritter ist kein anderer als der Waldmensch, der einst ein vornehmer junger Herr gewesen war und wegen einer unglücklichen Liebe zu jenem Waldschrat geworden ist, der von Guerrinos Vater gefangengesetzt wurde. Nach seiner Befreiung durch Guerrino war er einer schönen, aber traurigen Fee begegnet, die über sein wüstes Aussehen herzlich lachen musste. Zum Dank für diese Aufheiterung hat ihn die Fee wieder in einen vorzüglichen jungen Mann verwandelt. Während der einstige Waldmensch Guerrino sofort wiedererkennt, hat dieser keine Ahnung, wer sich ihm da angeschlossen hat.

Gemeinsam kommen sie in ein Land, das seit Jahren von zwei wilden Pferden, einem Hengst und einer Stute, verwüstet wird. Der dortige König ist darüber ganz verzweifelt und weiß nicht, wie er die gefährlichen Bestien loswerden soll. Dies bringt die beiden Diener Guerrinos, die ihre Mordpläne nicht aufgegeben haben, auf eine Idee. Sie setzen das Gerücht in die Welt, Guerrino könne die wilden Pferde besiegen. Wie beabsichtigt dauert es nicht lange, bis das Gerücht dem König zu Ohren kommt. Der besteht darauf, dass Guerrino einen Versuch wagt, obwohl dieser beteuert, es nicht mit den Bestien aufnehmen zu können.

Seine Rettung ist sein Freund, der einstige Waldmensch. Der gibt ihm für den Kampf sein Zauberpferd und außerdem den Rat, dessen Hufe mit extradicken, scharfkantigen Eisen beschlagen zu lassen. Auf diese Weise besiegt Guerrino zuerst den Hengst und dann die noch stärkere Stute. Danach kehrt Guerrino heim in seine Herberge. In der Nacht hört in seinem Zimmer ein Rumoren, das, wie sich herausstellt, von einer Hornisse stammt, die sich in einen Honigtopf verirrt hat und nun nicht mehr herauskommt. Guerrino rettet die Hornisse und schläft weiter. Am nächsten Tag erklärt der König, dass er Guerrino als Lohn eine seiner beiden Töchter zur Frau geben würde, und zwar jene mit den goldenen Locken – allerdings nur unter der Bedingung, dass er die Goldgelockte erkennt, wenn sie verschleiert wie ihre Schwester vor ihm erscheint.

Guerrino ist verzweifelt und empört, doch sein Freund, von dem er noch immer nicht weiß, dass er der Waldmensch ist, weiß Rat. Die Hornisse, der er das Leben gerettet hat, würde die Goldgelockte umkreisen, sodass er sie daran erkennen kann, dass sie das Insekt dreimal mit der Hand verscheucht. Guerrino dankt dem Freund überschwänglich: tausend Jahre würden nicht ausreichen, um ihm für alles zu danken, was er für ihn getan hat. Nun endlich offenbart der Fremde, dass er niemand anderes sei als der Waldmensch, als der er Guerrino seine Freiheit verdankt. Er habe nichts anderes getan, als sich zu revanchieren. Die beiden schwören sich brüderliche Treue, und am nächsten erkennt Guerrino dank der Hornisse die Goldgelockte, die seine Frau wird. Der Waldmensch heiratet deren Schwester, und zusammen kehren sie zurück an den Hof von Guerrinos Eltern.

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