Der Zaunkönig
Der Zaunkönig ist ein Tiermärchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, ab 4. Auflage, KHM 171). Es geht dabei um die Königswahl der Vögel (ähnlich wie es in Die Scholle um die Königswahl der Fische geht), wobei erklärt wird, wie der Zaunkönig zu seinem Namen kam. Die Geschichte geht auf eine Fabel von Äsop zurück und ist als Märchenmotiv in ganz Europa verbreitet. Neben dem Zaunkönig treten einige weitere »Charaktervögel« aus der Vogelschar heraus, vor allem der Adler und die Eule, die beide für den Handlungsverlauf von Bedeutung sind. Unter den Nebenfiguren beeindruckt der Kiebitz, der sich lieber allein in die Sümpfe zurückzieht, als sich einem König unterzuordnen.
Der Zaunkönig in der Rolle des vermeintlich Schwachen, der sich trickreich gegen einen Stärkeren durchsetzt, kommt bei den Brüdern Grimm außerdem in dem Märchen Der Zaunkönig und der Bär vor.
Inhalt
In der Einleitung des Märchens ist davon die Rede, dass in früheren Zeiten alle Dinge ihre Sprache und somit jeder Klang seine Bedeutung gehabt hätte. Damals konnten auch die Vögel vernünftige Diskussionen führen, während heute alles nur noch Gezwitscher ist. Und so kamen sie zu dem Schluss, dass es eine gute Idee sei, wenn einer von ihnen zum König gewählt würde, auf dass künftig alles seine Ordnung hätte. Nur ein einziger Vogel, der Kiebitz, wollte nicht mitmachen. Er meinte, er wäre frei geboren und wolle frei sterben; seitdem lebt er allein in Gegenden, die andere Vögel eher meiden.
Abgesehen vom Kiebitz kommen alle Vögel zur großen Versammlung, darunter auch ein Kleiner, der noch keinen Namen hat. Die Versammlung kommt überein, dass derjeinige zum König der Vögel erkoren werden soll, der am höchsten fliegen kann. Am nächsten Morgen startet der Wettkampf. Schnell bleiben die kleineren Vögel zurück, und auch die meisten größeren müssen bald aufgeben. Schließlich steigt allein der Adler immer noch höher in den Himmel. Als er sicher ist, dass ihm keiner mehr folgt, lässt er sich gemächlich gleiten. Die anderen rufen ihm von unten zu: Du sollst unser König sein. Da kommt plötzlich aus dem Brustgefieder des Adlers der kleine namenlose Vogel geflattert und steigt noch etwas höher – angeblich so hoch, dass er Gott auf seinem Stuhl sitzen sieht. Schließlich lässt er sich fallen und ruft: »König bün ick! König bün ick!«
Die anderen Vögel sind empört, dass sich der kleine Wicht durch einen Trick zum König erheben will. Deshalb stellen sie schnell eine andere Bedingung: Es soll derjenige König werden, der am tiefsten in die Erde eindringen kann. Eine gute Chance für den Hahn, der sofort zu scharren beginnt. Die Ente wirft sich in einen Schlammtümpel, bricht sich aber dabei ein Bein. Der kleine Vogel schlüpft in ein Mauseloch und ist damit auch bei diesem Wettkampf der Sieger.
Die Vogelschar ist wütend, dass der Wicht ein zweites Mal durch eine List alle anderen geschlagen hat. Keinesfalls sind sie bereit, ihn als ihren König zu akzeptieren. Sie beschließen, ihn nicht wieder aus dem Loch herauszulassen, sodass er dort verhungern muss. Als es Nacht wird, soll die Eule das Loch bewachen. Irgendwann wird sie müde und denkt sich, dass sie wenigstens abwechselnd das eine und dann wieder das andere Auge zu machen kann. Nach einer Reihe von Wechseln vergisst sie, gleichzeitig mit dem Schließen des einen Auges das andere wieder zu öffnen. Auf diesen Moment hat der Zaunkönig nur gewartet.
Seit dieser Begebenheit hacken die übrigen Vögel auf die Eule ein, wenn sie sie tagsüber erblicken (siehe auch das Märchen Die Eule). Deshalb ist sie vorzugsweise nachts unterwegs, wenn die anderen schlafen. Die Eule gibt die Schuld den Mäusen, denn dies alles wäre nicht passiert, wenn die nicht solche Löcher bauen würden. Die Mäuse müssen die Eule seitdem fürchten. Der kleine Vogel muss sich weiterhin vor den anderen, die er austricksen wollte, in acht nehmen. Gern sucht er in Hecken und Zäunen Deckung und ruft dort sein »König bün ick! König bün ick!«, weshalb ihm die anderen den Spottnamen »Zaunkönig« gegeben haben.