Das fremde Kind

Das fremde Kind ist ein Kunstmärchen von E.T.A. Hoffmann, 1816

Inhalt

Herr Thaddäus von Brakel lebt mit Frau und Kindern im Dörfchen Brakelheim (vier Bauernhöfe), das ihm gehört und dessen Bewohner ihn »gnädiger Herr« nennen. Sein Schloss sieht allerdings kaum anders aus als ein Bauernhaus, und auch er selbst ist allenfalls sonntags, wenn er mit seiner Familie ins Nachbardorf zur Kirche fährt, von den Bauern zu unterscheiden. Sein Sohn Felix und seine Tochter Christlieb verbringen die Tage am liebsten im nahen Wald.

Alles ändert sich, als irgendwann sein reicher und wesentlich vornehmerer Vetter samt Familie zu Besuch kommt. Er hat ebenfalls eine Tochter und einen Sohn, die im selben Alter wie Felix und Christlieb sind. Die Geschwisterpaare sind sich auf Anhieb von Herzen unsympathisch. Felix und Christlieb wurden zwar von ihrer Mutter im Rahmen der Möglichkeiten herausgeputzt, sehen aber neben dem blassen Adelgundchen mit ihren Schleifen und Rüschen und dem ebenso blassen Herrmann in seinen Pumphosen trotzdem aus wie Bauernkinder. Der Besuch der so fremden und steifen Verwandtschaft ist Gott sei Dank bald vorbei, zeitigt aber für Felix und Christlieb ein höchst unangenehmes Ergebnis: Der vornehme Vetter, dem die Bildungslücken der Kinder nicht verborgen geblieben sind, wird der etwas peinlichen Verwandtschaft einen Hauslehrer spendieren.

Immerhin haben die Kinder auch Spielsachen geschenkt bekommen, die sie trotz ihrer instinktiven Abwehrhaltung sehr faszinieren. Felix hat es besonders der Harfenspieler mit Aufziehmechanismus angetan, außerdem ein mechanischer Jäger: wenn man hinten an einer Schnur zieht, schießt der einen Pfeil auf die vor ihm angebrachte Zielscheibe. Christlieb ist ganz hingerissen von ihrer Puppe, die gleich ihren ganzen Hausrat mitgebracht hat. Tagelang spielen die Kinder im Haus, anstatt wie gewohnt durch den Wald zu stromern. Schließlich wird es Felix doch zu dumm und er überzeugt die Schwester, endlich wieder im Wald zu spielen. Sie könnten ja ihre Lieblingsspielsachen einfach mitnehmen.

Doch im Wald verlieren die schönen Spielsachen ihren Zauber und kommen den Kindern nur noch albern vor. Der Harfenmann offenbart, nachdem Felix zu stark an der Schraube gedreht hat, seine mechanischen Innereien, und auch der mechanische Jäger ist überfordert, nachdem Felix die Zielscheibe entfernt hat, auf dass der Jäger ins Freie schießt, wie es sich gehört. Enttäuscht wirft Felix beide ins Gebüsch. Der Puppe ergeht es nicht viel besser; sie landet im Teich, nachdem ihr Äußeres beim Lauf durchs Gestrüpp arg gelitten hat. Doch froh werden die Kinder trotz dieser Befreiungsaktionen an diesem Tag nicht: nicht nur die Spielsachen haben sich im Wald verändert, auch der Wald scheint nicht mehr der gleiche, seit die Spielsachen ihn »betreten« haben.

Kurz bevor sich wegen des angekündigtes Unterrichts ihr Leben ändern wird, gehen die Kinder noch einmal in den Wald. Diesmal ist alles so schön wie früher, sogar noch viel schöner, denn sie treffen zum ersten Mal das fremde Kind. Das fremde Kind spielt mit ihnen die schönsten Spiele. Es bringt Blumen und sogar den Bach zum Sprechen. Schließlich fliegt es mit ihnen durch die Luft, wo es ihnen die herrlichsten Luftschlösser zeigt. Nach diesem Erlebnis sehnen sich die Kinder stärker denn je danach, bald wieder in ihren Wald zu kommen. Ganz sicher würden sie dort das fremde Kind treffen.

Zu Hause erzählen sie ihren Eltern von dem fremden Kind, wobei sich einige Widersprüche offenbaren. Felix berichtet ohne jeden Zweifel von einem Jungen, während Christlieb ebenso sicher ist, mit einem Mädchen gespielt zu haben. Was die Kinder erzählen scheint so fantastisch, dass sie wohl geträumt haben werden. Aber können zwei Kinder auf so gleiche Weise träumen? Der Vater hat Zweifel. Die Mutter meint schließlich, dass es wohl ein Nachbarkind war, das sie zum Narren gehalten hat.

Die Brakel-Kinder treffen sich nun öfter mit dem fremden Kind im Wald, und immer ist es ganz wunderbar. Einmal fragen sie es, wo es eigentlich herkommt, wie es heißt und ob sie sich denn, wenn der Sommer vorbei ist, gegenseitig zu Hause besuchen können. Da wird das fremde Kind ganz ernst und erzählt seine Geschichte.

Es kommt von so weit her, dass die Kinder es niemals besuchen können. Seine Mutter ist eine Feenkönigin, die in Fehde mit einem ehemaligen Minister lebt. Der ist in Wirklichkeit der böse Gnomenkönig Pepser, der die Gestalt einer riesigen Fliege annehmen kann. Zum Entsetzen der Königin piesackte er die Kinder in ihrem Reich, wo er nur konnte, und trachtete danach, ihnen alle Freude zu verderben. Sie selbst sieht es als ihre vornehmste Aufgabe, die Kinder zu beglücken, und so kommt es zum offenen Machtkampf. Zwar scheiterte Pepsers Umsturzversuch und er wurde aus dem Reich der Feenkönigin vertrieben. Aber er hat überlebt und das fremde Kind muss sich vor ihm hüten. Deshalb kann es auch nicht zu Felix und Christlieb nach Hause kommen. Nur hier im Wald ist es sicher, denn den meidet der böse Gnomenkönig.

Mit dieser wunderbaren Neuigkeit stürmen die Kinder nach Hause, doch die Freude vergeht ihnen auf der Stelle: an der Haustür steht ihr künftiger Lehrer, Magister Tinte. Der sieht (nun ja) aus wie eine überdimensionale, fette Fliege: dicker schwarzer Leib, dürre Beinchen, kastiger Kopf mit hervorstehenden Augen. Und bei der ersten Gelegenheit tut er etwas ganz Gemeines. Als die Kinder der Aufforderung ihrer Eltern folgen und ihm die Hand geben, sticht er sie mit einer Nadel. Die Eltern finden das bedenklich, schicken den Lehrer aber nicht fort. Der Unterricht ist natürlich für die Kinder der reinste Horror, während der Lehrer erwartungsgemäß mit ihnen höchst unzufrieden ist. Er empfiehlt den Eltern, die Kinder nicht mehr in den Wald zu lassen, was dem Vater immerhin als zu streng erscheint. Als Kompromiss dürfen sie mit dem Lehrer im Wald spazieren gehen, was weder die Kinder noch der Lehrer gut finden.

Der gemeinsame Waldspaziergang wird zum Showdown. Magister Tinte schimpft über die unbequemen Wege, die kreischenden Vögel und all das Gestrüpp und Unkraut. Die Schönheit der Waldblumen bleibt ihm ebenso verborgen wie das Murmeln des Baches. Schließlich tötet er mit einem Stein einen Vogel, woraufhin Felix ihn anschreit und Christlieb weinend nach dem fremden Kind ruft. Doch das Kind kann ihnen nicht helfen und ruft ihnen nur aus der Ferne zu, dass sie in die Fänge des Gnomenkönigs Pepser geraten sind.

Als sich die Kinder umdrehen, sehen sie tatsächlich satt des Lehrers Tinte eine riesige schwarze Fliege. Zum Glück hat die Feenkönigin ihre Armeen entsandt, die den Gnomenkönig attackieren, während sich die Kinder in Sicherheit bringen können. Felix und Christlieb berichten alles ihren Eltern, die daraufhin eingestehen, dass sie bezüglich des Magisters Tinte von Anfang an ein ungutes Gefühl hatten. Bald taucht der Magister selbst wieder auf — taumelnd und ständig gegen Hindernisse stoßend wie eine Fliege, die einen Schlag abbekommen hat. Mit der Fliegenklatsche wird der Magister schließlich vertrieben, doch sehr wahrscheinlich treibt er noch irgendwo im Wald sein Unwesen. Dort treffen Felix und Christlieb ihre weggeworfenen Spielsachen — den Harfenmann, den Jäger und die Puppe — und werden von ihnen als einfältiges Volk beschimpft. Doch das fremde Kind treffen sie nicht mehr, weshalb sie bald keine Freude mehr an ihrem Wald haben.

Dann stirbt Herr Thaddäus von Brakel, nicht ohne den Kinder anvertraut zu haben, dass auch er früher dem fremden Kind begegnet ist. Er hatte es völlig vergessen, bis er durch seine Kinder wieder daran erinnert wurde. Frau von Brakel muss mit ihren Kindern das Anwesen verlassen, das seit längerem schon dem reichen und vornehmen Vetter geschuldet ist. Ein Verwandter der Mutter ist bereit, sie aufzunehmen, und auf dem Weg dorthin — an einem Bach im Wald — hören die Kinder endlich wieder die geliebte Stimme des fremden Kindes. Sie fassen Mut, und tatsächlich: alles, was sie beginnen, gerät gut.

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