Nußknacker und Mausekönig

In seinem Kunstmärchen Nußknacker und Mausekönig (1816) macht E.T.A. Hoffmann das weihnachtlich geschmückte Haus einer wohlhabenden Familie zur Märchenkulisse. Die Protagonisten sind hier nicht Feen, Zauberer und Fabelwesen, vielmehr erwachen gewöhnliche (zumindest für Kinder wohlhabender Eltern) Puppen, Spielzeugsoldaten und eben ein Nußknacker nachts zum Leben. Sie verkörpern die helle Seite der Geschichte. Die dunkle Seite besteht aus einem Heer von Mäusen, das nachts aus seinen Löchern hervorquillt und vom siebenköpfigen Mausekönig angeführt wird.

In der Weihnachtsnacht kämpft der Nußknacker gegen den Mausekönig. Illustration von Peter Carl Geissler
Nußknacker und Mausekönig. Illustration Peter Carl Geissler

Die unmittelbar aus der kindlichen Fantasiewelt herzuleitende Grundidee, dass Spielzeuge ein verborgenes Leben führen, ist seit E.T.A. Hoffmanns Märchen von Nußknacker und Mausekönig immer wieder neu variiert worden. So zum Beispiel in Hans Christian Andersens Kunstmärchen Der standhafte Zinnsoldat (1838) oder auch in dem Animationsfilm Toy Story (1995), der inzwischen selbst ein Klassiker ist. Für die anhaltende Popularität der Geschichte dürfte nicht unerheblich sein, dass sie mit dem Weihnachtsabend, wie ihn die meisten Kinder erleben (Weihnachtsbaum und Bescherung) verknüpft ist. So gilt Hoffmanns Nußknacker als eines der klassischen Weihnachtsmärchen, obwohl es weder mit der Weihnachstgeschichte an sich etwas zu tun hat, noch im engeren Sinne ein Märchen ist. Traditionell wird auch Peter Tschaikowskis Ballett Der Nussknacker (das auf Hoffmanns Kunstmärchen basiert) in vielen deutschen Theatern und Opernhäusern in der Vorweihnachtszeit aufgeführt.

Inhalt

Im Haus des Medizinalrats Stahlbaum ist der Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt. Die beiden jüngeren Kinder, Fritz und Marie, warten gespannt auf die Bescherung und spekulieren, was die Eltern bzw. das Christkind ihnen wohl diesmal bescheren werden. Auch ihr Pate, der Obergerichtsrat Droßelmeier, wird wie jedes Jahr zum Fest erwartet. Die Kinder vermuten, dass er sie, wie jedes Jahr, mit einem seiner selbstgebauten mechanischen Spielzeuge beschenken wird. Droßelmeiers Geschenke sind stets kleine Kunstwerke, die die Fantasie der Kinder anregen. Aber meistens sind sie dann schnell enttäuscht, weil die beweglichen Figuren nun mal nicht »echt« sind, sondern sich alles Bewegliche nach dem immer gleichen Muster wiederholt.

Die Bescherung

Schließlich werden die Kinder ins Zimmer geholt und bestaunen ihre diesjährigen Geschenke. Marie bekommt eine neue Puppe und ein wunderschönes Kleidchen. Fritz bekommt für seine Spielzeugarmee eine neue Schwadron Husaren und einen Fuchs (Pferd mit rotbraunem Fell), den er sich so sehr gewünscht hat. Pate Droßelmeier hat diesmal ein Schloß mit einigen beweglichen Figuren gebastelt. Für Fritz, Marie und die ältere Schwester Luise zusammen gibt es außerdem Bilderbücher, und, was sie zwischen all den Gaben erst spät bemerken, einen kleinen, aus Holz geschnitzten Mann mit eigentümlichen Proportionen: übergroßer Kopf, kräftiger Oberkörper, darunter aber ein Paar dünne Beinchen. Sein Gesicht ist nicht hübsch, doch sein Lächeln nimmt die kleine Marie sofort für ihn ein. Dazu ein violettes Husarenjäckchen, eine Bergmannskappe, weißer Backenbart und fesche Stiefel.

Der Nussknacker

Der Vater erklärt, dass der kleine Mann ein Nussknacker ist, was die Kinder sofort ausprobieren. Marie ist darauf bedacht, dass der Nussknacker, für den sie sich verantwortlich fühlt, nicht überstrapaziert wird. Doch Bruder Fritz schiebt ihm immer dickere Nüsse in den Mund. Schließlich fallen ihm drei Zähne heraus und seine Kinnlade hängt ganz schief. Marie, die den Nussknacker als ihren Schützling betrachtet, macht ihm aus einem Band von ihrem Kleid eine Binde und nimmt ihn mütterlich in den Arm.

Im Wohnzimmer gibt es einen Vitrinenschrank für die Spielsachen der Kinder. Als Marie vorm Schlafengehen ihre neue Puppe (Clärchen) ins Puppenbett legen will, überlegt sie sich die Sache anders. Sie bittet Clärchen um Verständnis, dass sie das Bett an den angeschlagenen Nussknacker abtreten muss. Dem Nussknacker redet sie gut zu, dass der Pate Droßelmeier bestimmt seine Wunden heilen und ihm ein paar neue Zähne machen könne. Doch als sie den Namen Droßelmeier erwähnt, hat es den Anschein, als würde der Nussknacker ein schiefes Gesicht machen und aus seinen Augen grüne Blitze schießen. Marie ist ein vernünftiges Kind und sagt sich, dass sie sich das wohl nur einbildet. Schließlich ist der Nussknacker nur eine Holzfigur. Dann schließt sie den Spielzeugschrank ab und will in ihr Schlafzimmer gehen.

Die Schlacht in der Weihnachtsnacht

Da beginnt es von überall her zu rascheln. Hinterm Ofen, unter Stühlen und Tischen, aus Ritzen und Löchern kommen Mäuse herbeigelaufen. Die Uhr an der Wand macht schaurige Geräusche, und die Eule, die oben auf der Uhr sitzt, hat plötzlich das Aussehen des Paten Droßelmeier. Als ob das nicht alles schon schrecklich genug wäre, erscheint schließlich eine Maus mit sieben Köpfen. Offensichtlich der Anführer des Mäuseheers. Und die Mäuse rufen entschlossen Parolen wie: »Aufgewacht! Aufgewacht! Woll’n zur Schlacht, noch diese Nacht!«

Damit nicht genug: auch Maries Puppen, Fritzens Soldaten und sonstige Spielfiguren im Schrank werden munter und laufen aufgeregt durcheinander. Der Nussknacker wirft seine Decke fort und gibt sich wie ein Offizier, der seine Truppen zusammenruft. Dem »Mäuspack« wird der Kampf angesagt, Sprüche von Treue, Sieg, Kampf und Tod machen die Runde. Puppe Clärchen macht dem Nussknacker Avancen, doch der erklärt, dass sein Herz schon einer anderen gehöre – und verweist auf das Band von Maries Kleid, mit dem diese ihn verbunden hatte. Dann formieren sich die Armeen. Die Spielfiguren bewerfen die Mäuse mit Nüssen; diese schießen mit kleinen, selbstgemachten Kugeln zurück, wovon recht bald die Scheibe des Vitrinenschranks zu Bruch geht. Erbittert geht die Schlacht lange hin und her, mit großen Verlusten auf beiden Seiten.

Schließlich geht es dem Oberbefehlshaber Nussknacker selbst an den Kragen; seine Kappe wird ihm vom Kopf heruntergefochten und die ohnehin nicht besonders kräftigen Beine werden ihm abgebissen. Die Beinstümpfe sind zu schwach für einen rettenden Sprung zurück in die Vitrine. Er kann nur noch rufen: Ein Pferd, ein Pferd – ein Königreich für ein Pferd. Dann bekommen ihn die Feinde zu fassen und der Mäusekönig selbst kommt herangestürmt. Marie, die dies alles, starr vor Entsetzen, mit angesehen hat, wirft beherzt ihren linken Schuh in die Meute der Kampfmäuse. Die stieben auseinander und verziehen sich in ihre Löcher. Marie spürt einen stechenden Schmerz im Arm und sinkt ohnmächtig zu Boden.

Alles nur geträumt?

Als sie wieder aufwacht, liegt sie mit verbundenem Arm im Bett, neben ihr die Mutter mit dem Herrn Chirurgus Wendelstern. Die beiden halten Maries Bericht vom Kampf zwischen den Mäusen und dem Spielzeugheer für eine Begleiterscheinung ihres Fiebers und erzählen ihr, dass sie sich an den Glasscherben der Vitrine den Arm zerschnitten hat und die Wunde sich entzündet hat. Nachdem sie das Zimmer verlassen hat, meint Marie, den Nussknacker zu hören, der sich bei ihr für die Hilfe bedankt und um weitere Unterstützung bittet; doch ist sie nicht sicher, ob sie dies vielleicht nur geträumt hat.

Später kommt Pate Droßelmeier sie besuchen. Marie erinnert sich, wie er am Abend zuvor plötzlich auf der Uhr gesessen, und macht ihm Vorwürfe, weil er dem lieben Nussknacker nicht geholfen hat. Der Pate verhält sich merkwürdig, fast so, als wäre er selbst ein mechanisches Spielzeug. Dann zieht er den reparierten Nussknacker (mitsamt neuen Zähnen) hervor und fragt Marie, ob sie die Geschichte von der Prinzessin Pirlipat hören möchte.

Droßelmeiers Märchen

Droßelmeier erzählt nun ein Märchen, aus dem sich für Marie die Zusammenhänge mit dem Geschehen in der letzten Nacht ergeben. Demnach geht die Feindschaft zwischen dem Nussknacker und dem Mausekönig auf einen Streit zurück, der sich am Hof der Prinzessin Pirlipat ereignet hat. Infolge dieses Streits war die eigentlich ausgesprochen hübsche Prinzessin von Frau Mauserink (Mutter des siebenköpfigen Mausekönigs) in eine hässliche Kreatur verwandelt worden. Der Hofuhrmacher Droßelmeier hatte (nach Androhung der Todesstrafe) das Mittel herausgefunden, um diese unglückselige Verwandlung rückgängig zu machen.

Dazu muss ein Jüngling, der sich noch nie rasiert hat und noch keine Stiefel trägt, eine harte Nuss namens Krakatuk knacken, den Kern der Prinzessin geben und anschließend sieben Schritte rückwärts gehen. Nach langem Suchen wird die Nuss gefunden. Und nachdem sich schon etliche Bewerber an der Nuss die Zähne ausgebissen haben, findet sich auch der junge Mann, der sie knacken kann – es ist der Neffe des Hofuhrmachers Droßelmeier. Die Prinzessin ist von dem gutaussehenden Jüngling so angetan, dass sie ihm für den Fall des Gelingens ihr Heiratsversprechen gibt. Tatsächlich gelingt die Entzauberung der Prinzessin, die augenblicklich ihre frühere Schönheit wiedergewinnt.

Doch als der junge Droßelmeier den siebenten und letzten Schritt nach hinten setzt, landet sein Fuß auf Frau Mauserink und er stolpert. Die Maus stirbt an den Folgen des Fehltritts, woraufhin das Volk der Mäuse Rache schwört. Außerdem ist plötzlich Neffe Droßelmeier so hässlich und missgestaltet ist wie zuvor die Prinzessin Priplipat. (Genauer gesagt: die Beschreibung passt genau auf Maries Nussknacker.) Prinzessin Pirlipat will nun von ihrem Heiratsversprechen nichts mehr wissen, und Neffe Droßelmeier wird vom Hof gejagt. Der Astrologe, der zuvor schon das Mittel für die Entzauberung der Prinzessin aus den Sternen gelesen hat, weiß auch diesmal Rat. Neffe Drossel muss erstens Frau Mauserinks Sohn, den siebenköpfigen Mausekönig besiegen. Und zweitens muss er trotz seiner Missgestalt die Zuneigung einer Dame gewinnen.

Ende

Für Marie ist die Sache nun klar. Der Nussknacker ist der Neffe von Obergerichtsrat Droßelmeier und sie selbst ist jene Dame, die ihn erlösen kann. Fürs erste jedoch haben die Mäuse die Oberhand gewonnen. Der Mäusekönig erpresst Marie mit der Drohung, den Nussknacker totzubeißen. Außerdem stellt er immer unverschämtere Forderungen (zunächst nach Süßigkeiten, dann auch nach ihren Bilderbüchern und Kleidern). Schließlich beschafft sie dem Nussknacker ein Schwert (von einem Offizier aus Fritzens Spielzeugarmee), womit dieser dem Mausekönig den Garaus macht. Der Rest der Geschichte verliert sich in einer Fantasiewelt, die Marie zusammen mit dem Nussknacker durch einen Kleiderschrank betritt. Am Ende löst sich das Zucker-Puppen-Reich in einer Wolke auf, und Marie erwacht in ihrem Bettchen.

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