Der Arme und der Reiche

Der Arme und der Reiche ist ein Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 87). Das Märchen ist eine Variante des Motivs von den drei törichten Wünschen (siehe auch Zahlen im Märchen: Die Drei): das Wünschen hilft nur dem, der reinen Herzens ist, während der Hartherzige durch die Erfüllung seiner Wünsche ins Unglück gestürzt wird.

Illustration von Philip Grot-Johann zu dem Märchen Der Arme und der Reiche
Der Arme und der Reiche. Illustration Philip Grot-Johann (Kinder- und Hausmärchen, Deutsche Verlags-Anstalt, 1893)

Inhalt

Der liebe Gott begibt sich auf Wanderschaft auf die Erde. Eines Abends sucht er in einem kleinen Dorf ein Nachtlager und klopft an die Tür eines schönen Hauses, das offensichtlich einem reichen Mann gehört. Doch der Reiche weist ihn ab — er könne schließlich nicht jeden aufnehmen. Direkt gegenüber steht noch ein Haus, eine ganz armselige Hütte. Die beiden Alten, die dort wohnen, nehmen den Wanderer gastfreundlich auf, teilen mit ihm ihr bescheidenes Abendessen und bestehen darauf, dass er in ihrem Bett schläft, während sie für sich etwas Stroh auf den Boden schütten.

Vor dem Morgengrauen machen sie dem Wanderer noch ein Frühstück. Als der liebe Gott sich wieder auf den Weg macht, verkündet er dem staunenden Paar, dass sie für ihre Gastfreundschaft drei Wünsche frei haben. Als erstes wünscht sich der Hausherr die ewige Seligkeit, der zweite Wunsch betrifft das irdische Leben: Gesundheit und alle Tage genug Brot. Mehr fällt dem Mann zum Glück nicht ein, doch Gott hilft nach: Ob er nicht vielleicht ein neues, größeres Haus möchte? Ja, wenn das möglich wäre… , und schon hat der liebe Gott die kleine Hütte in ein schönes, neues Haus verwandelt.

Am nächsten Morgen sieht der Reiche von gegenüber das Wunder, und der Arme erzählt ihm, dass dies der Wanderer gemacht hat, den er in der letzten Nacht beherbergt hat. Nun ärgert sich der Reiche, und mit ihm seine Frau. Die Frau meint, der Wanderer könne noch nicht weit gekommen sein, der Mann solle also mit dem Pferd hinterher reiten. Tatsächlich holt ihn der Reiche bald ein und beschwatzt ihn mit freundlichen, falschen Worten: gern hätte er ihn letzte Nacht aufgenommen, nur hätte er leider seinen Schlüssel verlegt. Sollte der Wanderer wieder einmal in der Gegend sein, möge er doch bei ihm anklopfen. Der liebe Gott, sagt, das wolle er gern tun. Ob er sich auch etwas wünschen dürfe, fragt der Reiche. »Dürfen schon«, meint Gott, aber er solle es lieber lassen, denn es würde ihm nicht gut tun. Doch der Reiche verspricht, er würde sich schon etwas Gutes aussuchen.

Gott sagt, er solle ruhig heim reiten, seine Wünsche würden erfüllt.

Aufgeregt überlegt der Reiche auf dem Heimweg, was er sich wünschen soll. Dabei ärgert er sich über sein Pferd, das ihn durch seine vermeintliche Ungeschicklichkeit beim Nachdenken stört. Wütend zischt er: »Ich wünscht, dass du dir den Hals brichst«. Damit hat er seinen ersten Wunsch und dazu sein Pferd verloren. Da er geizig ist, lässt er den Sattel nicht bei dem toten Pferd liegen, sondern schleppt ihn fluchend nach Haus. Dabei kommt ihm seine Frau in den Sinn, die es daheim gemütlich hat, während er sich plagen muss. Er murmelt vor sich hin: »ich wollt‘, sie säße in der Stube in dem Sattel und käme nicht herunter«. Auch dieser Wunsch erfüllt sich umgehend, zum Entsetzen seiner Frau. Zu Hause angekommen bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit seinem letzten Wunsch die Frau wieder vom Sattel zu holen. Außer einem toten Pferd haben die Wünsche dem Reichen also nichts gebracht.

Die beiden Armen aber leben still und zufrieden bis an ihr seliges Ende.

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