Rotkäppchen

Rotkäppchen ist eines der bekanntesten Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 26). Charles Perrault veröffentlichte bereits 1697 in seiner Märchensammlung eine Fassung des Märchens (Le Petit Chaperon Rouge).

Als Ergänzung zum vorliegenden Artikel empfehlen wir unsere kommentierte Auswahl von Illustrationen zum Märchen Rotkäppchen.

Inhalt

Rotkäppchen ist ein kleines Mädchen, das alle Menschen lieb haben, die es kennen. Von ihrer Großmutter bekam sie irgendwann eine Kappe aus rotem Samt geschenkt, die sie fortan immer trägt. Deshalb wird sie nur noch Rotkäppchen genannt. Eines Tages wird das Mädchen von ihrer Mutter zur kranken Großmutter geschickt. Sie gibt ihr einen Korb mit Kuchen und Wein mit und ermahnt das Kind, nicht vom Weg abzukommen oder ihre Zeit zu verbummeln. Der Weg führt durch den Wald, und dort haust unter anderem der böse Wolf.

Illustration von Carl Offterdinger zu dem Märchen Rotkäppchen
Illustration Carl Offterdinger (Mein erstes Märchenbuch, Verlag Wilhelm Effenberger, Stuttgart, Ende 19. Jhd.)

Als Rotkäppchen an einer Waldwiese mit wunderschönen Blumen vorbeikommt, beschließt sie, ihrer Großmutter einen Strauß zu pflücken. Auf eine solche Gelegenheit hat der Wolf nur gewartet. Hinterlistig fragt er das kleine Mädchen über das Haus der Großmutter aus. Während Rotkäppchen noch Blumen pflückt, eilt er zum Haus und verschlingt die alte Frau. Dann schlüpft er in ihre Kleider und legt sich in ihr Bett. Dort wartet er auf die leckere Nachspeise, das kleine Rotkäppchen. Als Rotkäppchen kommt, wundert sie sich nicht wenig über das Aussehen der Großmutter (»Aber Großmutter, was hast du für große Hände …«), wird aber, bevor sie die Lage erkennt, vom Wolf ebenfalls verschlungen.

Ein Jäger, der sich über das laute Schnarchen der Großmutter wundert, findet im Bett den Wolf mit dickem Bauch. Er schneidet ihm den Bauch auf und befreit Rotkäppchen und Großmutter, beide unversehrt. Der Bauch des Wolfes wird mit Steinen gefüllt und wieder zugenäht. Solchermaßen beschwert verendet der böse Wolf. Die anderen feiern ein fröhliches Fest.

Interpretation, Vergleich mit älteren Fassungen

Die bekannteste schriftliche Fassung vor der von J. und W. Grimm stammt von Charles Perrault (le petit chaperon rouge). Im Gegensatz zur Grimmschen Version geht Perraults Märchen nicht gut aus: Die Geschichte endet, nachdem der Wolf sowohl die Großmutter als auch das Rotkäppchen verschlungen hat; der rettende Jäger bleibt aus. Die moralische Absicht Perraults — Warnung vor Sittenstrolchen und kleinen Mädchen, die es ihnen nur allzu leicht machen– zeigt sich in eindeutig sexuell interpretierbaren Passagen, die in der Grimmschen Version nicht mehr enthalten sind. So fordert der Wolf das Rotkäppchen auf, sich zu ihm (d.h. ihr — der Großmutter) ins Bett zu legen, und Rotkäppchen zieht dafür ihre Kleider aus. Im Bett, bevor sie gefressen wird, staunt sie gar sehr, wie die Großmutter ohne Kleider beschaffen ist.

Perrault fasst in seiner Sammlung Contes de ma mère l’Oye die »Moral« seiner Märchen in belehrenden Sätzen zusammen, die keinen großen Interpretationsspielraum zulässt. Zum Rotkäppchen heißt es:

Kinder, insbesondere attraktive, wohlerzogene junge Damen, sollten niemals mit Fremden reden, da sie in diesem Fall sehr wohl die Mahlzeit für einen Wolf abgeben könnten. Ich sage „Wolf“, aber es gibt da verschiedene Arten von Wölfen. Da gibt es solche, die auf charmante, ruhige, höfliche, bescheidene, gefällige und herzliche Art jungen Frauen zu Hause und auf der Straße hinterherlaufen. Und unglückseligerweise sind es gerade diese Wölfe, welche die gefährlichsten von allen sind.

In diesem Sinne wurde das Märchen vom naiven Rotkäppchen und dem überlegenen, gewalttätigen Verführer in unzähligen Varianten adaptiert und parodiert.

Auch Perraults Fassung ist nicht »die Originalfassung« des Rotkäppchen-Stoffes. Die ursprünglich mündlich überlieferte Geschichte lässt sich nicht bis an die Quelle(n) zurückverfolgen. In einigen Versionen taucht das Element des Kannibalismus auf, indem das Mädchen unwissentlich vom Fleisch ihrer Großmutter ist und von ihrem Blut trinkt.

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