Die Wichtelmänner

Unter dem Titel Die Wichtelmänner (KHM 39) sind in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm drei kurze Märchen zusammengefasst, in denen der alte Volksglaube an kleine, meist unsichtbare Hausgeister lebendig wird. Am bekanntesten ist das erste, in dem die Wichtelmänner einem armen Schuster bei der Arbeit helfen.

Illustration von Otto Ubbelohde zu dem Märchen Die Wichtelmänner von den Brüdern Grimm
Die Wichtelmänner als Schuhmacher. Illustration Otto Ubbelohde (Kinder- und Hausmärchen, Turm-Verlag Leipzig, 1907-09)

Das zweite ist verwandt mit dem Märchen Die Geschenke des kleinen Volkes, während das dritte und kürzeste vom Motiv des vertauschten Kindes (»Wechselbalgs«) handelt. Alle Märchen, besonders aber das dritte, zeigen eine Verwandtschaft mit den irischen Elfenmärchen (vgl. Thomas Crofton Croker, Irische Elfenmärchen, ins Deutsche übertragen von den Brüdern Grimm).

Die Untertitel in den folgenden Inhaltsangaben waren in dieser Form nur in der ersten Ausgabe (1812) der Kinder- und Hausmärchen vorhanden.

Erstes Märchen

Von dem Schuster, dem sie die Arbeit gemacht

Ein armer Schuster hat nur noch Leder für ein einziges Paar Schuhe. Am Abend schneidet er das Leder zu und geht dann zu Bett, um am nächsten Morgen mit dem Nähen fortzufahren. Doch als er sich nach dem Morgengebet an den Arbeitstisch setzt, sind die Schuhe schon fertig. Der Schuster staunt, zumal die Schuhe aus der Hand eines Meisters zu stammen scheinen. Schnell findet er dafür einen Käufer, der wegen der überragenden Qualität bereit ist, mehr zu bezahlen als sonst üblich. Für das Geld kauft der Schuster Leder für zwei Paar Schuhe und schneidet noch am Abend das Leder für die neuen Schuhe zu.

Als er sich am nächsten Morgen frohen Mutes ans Nähen machen will, stehen die Schuhe bereits fertig auf dem Tisch – wiederum akkurat und sauber gearbeitet. Um Käufer braucht er sich nicht zu sorgen, sodass er nun schon Leder für vier Paar Schuhe kaufen kann. Das geht eine ganze Zeit lang so weiter, und bald ist der Schuster ein wohlhabender Mann. Eines Tages beschließen der Schuster und seine Frau, nachts aufzubleiben um herauszufinden, wem sie das alles zu verdanken haben. Und so beobachten sie, wie zwei niedliche kleine Männlein, beide völlig nackt, um Mitternacht in die Werkstatt kommen und geschickt in Windeseile Schuhe zusammennähen.

Am nächsten Tag schlägt die Frau vor, sich für die Hilfe erkenntlich zu erweisen, indem sie den kleinen Kerlen Kleider näht, und ihr Mann könnte kleine Schuhe für sie anfertigen. Der Schuster ist einverstanden. Am Abend legen sie anstelle des zugeschnittenen Leders ihre Geschenke auf den Arbeitstisch und verstecken sich um zu sehen, wie die Wichtelmänner darauf reagieren. Und tatsächlich ist deren Freude – nach einem kurzen Moment des Erstaunens – riesengroß. Sie ziehen Kleider und Schuhe an, singen und tanzen und finden sich selbst so großartig, dass sie nicht mehr länger Schuster sein wollen. Tatsächlich kommen sie nicht mehr wieder, doch dem Schuster glückt künftig alles, was er beginnt, sodass er auch ohne die Wichtelmänner ein zufriedenes Leben führen kann.

Zweites Märchen

Von einem Dienstmädchen, das Gevatter bei ihnen gestanden

Ein armes, fleißiges Dienstmädchen findet eines Tages auf dem Kehrrichthaufen einen Brief. Da sie nicht lesen kann, bringt sie ihn zu ihrer Herrschaft und bittet darum, ihr vorzulesen. Zu ihrem Erstaunen ist der Brief tatsächlich an sie gerichtet: es ist eine Einladung von den Wichtelmännern, die sie bitten, Taufpatin (Gevatterin) für ein neugeborenes Kind ihres Volkes zu werden. Das Dienstmädchen willigt ein und wird von drei Wichteln zur Feier der Taufe abgeholt. Das Volk der Wichtel lebt in einem hohlen Berg, in dessen Innerem alles aufs Feinste eingerichtet ist. Die Wöchnerin liegt in einem Bett aus Ebenholz, ihr Kind in einer Wiege aus Elfenbein; das Bettzeug ist mit Gold bestickt und die Knöpfe sind aus Perlmutt.

Illustration von Philipp Grot-Johann zu dem Märchen Die Wichtelmänner
Das Dienstmädchen bei den Wichtelmännern. Illustration Philipp Grot-Johann

Nach der Taufe will das Mädchen wieder gehen, doch die Wichtel bitten sie, noch drei Tage bei ihnen zu bleiben. Sie willigt ein, und die freundlichen Kleinen bereiten ihr eine wunderbare Zeit. Als sie sich schließlich verabschiedet, stopfen ihr die Wichtel die Taschen voll mit Gold. Wieder zu Hause angekommen, macht sie sich gleich an die Arbeit und beginnt zu kehren. Da kommen fremde Leute in die Stube und fragen sie, wer sie sei und was hier zu suchen habe. Es stellt sich heraus, dass sie nicht drei Tage, sondern in Wirklichkeit sieben Jahre bei den Wichteln verbracht hat, und dass ihre Herrschaft inzwischen gestorben ist.

Drittes Märchen

Von einer Frau, der sie das Kind vertauscht haben

Wichtelmännern haben einer Frau das Kind aus der Wiege geholt und ihr dafür einen Wechselbalg hineingelegt. Der sieht nicht nur unheimlich aus, sondern ist vor allem unersättlich, sodass die arme Frau bald am Ende ihrer Kräfte ist. Verzweifelt fragt sie ihre Nachbarin um Rat, die ein Hausmittel gegen Wechselbälger weiß: die unglückliche Mutter solle in zwei Eierschalen Wasser zum Kochen bringen, das würde den Wechselbalg zum Lachen bringen und dann sei es aus mit ihm. Die Frau befolgt den Ratschlag, und tatsächlich wirkt das Mittel. Der Wechselbalg ruft mit seinem Lachen die Wichtelmänner herbei, die der Frau ihr eigenes Kind wiedergeben und den Wechselbalg mitnehmen.

Das könnte dich auch interessieren …