Die sechs Diener

Die sechs Diener ist ein Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 134). Es gehört zu jenem variantenreichen Märchentyp (AT 513), bei dem ein junger Held (hier ein Königssohn) mehrere Helfer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten um sich schart, die ihn dabei unterstützen, die Hand einer Prinzessin zu gewinnen. Das Motiv erscheint bei den Brüdern Grimm außerdem in dem Märchen Sechse kommen durch die ganze Welt (dort ist ein entlassener Soldat der Held); außerdem in Giambattista Basiles Pentameron in den Märchen Der Floh und Der Dummling. Das Märchen von den sechs Dienern nimmt kurz vor Schluss noch mal eine Wendung, in der das Motiv der hochmütigen jungen Frau, die alle Freier abweist (König Drosselbart) aufgegriffen wird.

Illustration von Otto Ubbelohde zu dem Märchen Die sechs Diener von den Brüdern Grimm
Die sechs Diener. Illustration Otto Ubbelohde (Kinder- und Hausmärchen, Turm-Verlag Leipzig, 1907-09)

Inhalt

Eine alte Königin, die in Wahrheit eine Zauberin ist, hat nichts anderes im Sinn, als Menschen ins Verderben zu locken. Am besten gelingt ihr dies mit ihrer wunderschönen Tochter, der viele Freier ihre Hand antragen. Denen erlegt die Königin eine schwierige Prüfung auf – um ihnen bei Nichtbestehen den Kopf abzuschlagen. Viele verblendete junge Männer haben auf diese Weise schon den Kopf verloren. Nun ist auch ein junger Königssohn aus dem Nachbarreich in Liebe zu der Schönen entflammt. Sein Vater will ihm die Sache ausreden, doch das bewirkt nur, dass der Sohn im kränker und schwächer wird. Also lässt er ihn schließlich ziehen.

Auf dem Weg zu seiner Angebeteten trifft er nacheinander mehrere ungewöhnliche Männer. Einen Dicken, der behauptet sich noch viel dicker machen zu können. Einen, der das Gras wachsen hört und sogar das Schwert, das am entfernten Hof der bösen Königin gerade niedersaust, um einem weiteren Freier den Kopf abzuschlagen. Einen Langen, er behauptet sich noch viel länger machen zu können. Einen, der eine Augenbinde tragen muss, weil sein Blick so stark ist, dass er alles zersprengt. Einen, der in der Hitze friert und in der Kälte schwitzt. Und schließlich einen, der einen so außergewöhnlich langen Hals hat, dass er über Berge schauen kann. Der junge Held nimmt sie alle in seinen Dienst, da er ahnt, dass sie ihm eines Tages sehr nützlich sein werden.

Mit seinen sechs Dienern tritt der Königssohn vor die alte Königin und stellt sich der Prüfung. Die erste Aufgabe besteht darin, einen Ring zu finden, welchen die Königin ins Rote Meer fallen ließ. Hier helfen ihm der Langhals, der den Ring erspäht, der Langbeinige, der den Dicken zum Meer trägt, und der Dicke selbst, der das Meer aussäuft, sodass der Lange den Ring nur noch aufheben muss. Die zweite Aufgabe lautet, 300 Ochsen mitsamt Fell, Knochen und Hörnern zu verspeisen, und dazu 300 Fässer Wein zu trinken. Diese Aufgabe ist wie gemacht für den Dicken.

Bei der dritten Aufgabe ist der Königssohn tatsächlich selbst gefordert. Er soll die schöne Jungfrau nachts in seiner Kammer im Arm halten und darf sie keinesfalls entkommen lassen. Das scheint dem jungen Helden eine vergleichsweise einfache und zudem angenehme Aufgabe. Sicherheitshalber postiert er vor der Tür den Dicken. Und der Leib des Langen bildet um den Stuhl, in dem der Königssohn mit dem Mädchen sitzt, einen Kreis. Doch um elf, eine Stunde bevor die böse Königin nachsehen kommt, fallen der Königssohn und die beiden Diener durch einen Zauber in tiefen Schlummer und wachen erst kurz vor Mitternacht auf.

Die Prinzessin ist natürlich verschwunden, doch die Diener mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten vereiteln den Plan der bösen Königin, die sich schon darauf gefreut hatte, auch diesen Verehrer ihrer Tochter einen Kopf kürzer zu machen. Der, welcher das Gras wachsen hört, findet heraus, dass die Königstochter 300 Stunden entfernt in einem Felsen eingeschlossen ist und weint. Der Lange nimmt den mit dem scharfen Blick Huckepack und eilt mit ihm zum Versteck der Königstochter. Dort angekommen, sprengt der mit dem scharfen Blick den Felsen. Zusammen laufen sie zurück. Als die Königin Punkt Zwölf nachschauen kommt, findet sie zu ihrer Enttäuschung ihre Tochter in den Armen des Prinzen. Die Königin muss ihr Versprechen halten, und dem Prinzen ihre Tochter zur Frau geben. Doch in ihrer Bosheit flüstert sie der Tochter ein, was für eine Schande es sei, dass sie durch gemeine Diener an ihren Ehemann geraten würde, anstatt sich diesen selbst auszusuchen.

Die Intrige fällt auf fruchtbaren Boden. Die Königstochter stellt nun selbst ihrem Zukünftige eine Aufgabe. Sie lässt einen großen Haufen Holz aufschichten und anzünden – um sich ihrer würdig zu erweisen, müsse er sich hineinsetzen und das Feuer aushalten. Hier kann der Diener, welcher in der Hitze friert, seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Die Königstochter willigt ein, seine Frau zu werden, und fährt mit ihm zu Kirche. Ihre Mutter jedoch gibt nicht klein bei und hetzt dem Paar bewaffnetes Kriegsvolk hinterher. Doch der Horcher hat rechtzeitig von ihrem Plan erfahren. Der Dicke spuckt hinter den Wagen des Brautpaars ein Meer aus, in dem die Soldaten ertrinken. Die Königin gibt nicht auf und schickt geharnischte Reiter. Wieder warnt der Horcher rechtzeitig, und der mit dem scharfen Blick mit seine Augenbinde ab, um sie alle zu töten. Das Paar wird in der Kirche getraut, und die Diener nehmen ihren Abschied.

Der Königssohn reist mit seiner Frau zurück an den Hof seines Vaters. Unterwegs jedoch beschließt er, ihre für ihren Hochmut eine Lektion zu erteilen. Also eröffnet er ihr, dass er in Wirklichkeit der Sohn eines Schweinehirten sei und dass sie beide nun dem Vater bei seiner Arbeit helfen müssten. Er sorgt dafür, dass ihr die königlichen Kleider weggenommen werden und sie ein altes Kleid und wollene Strümpfe bekommt. Acht Tage lang hütet sie Schweine, während ihr Mann die schäbige Unterkunft verlassen hat, angeblich um Bänder zu verkaufen. Endlich führen die Nachbarn sie zum Schloss, wo sie ihren Ehemann vor sich sieht. Sie erkennt ihn erst als er sie in die Arme nimmt und ihr gesteht, dass er sie ein wenig leiden lassen wollte, weil er zuvor ihretwegen so sehr leiden musste.

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