Die Gänsemagd

Die Gänsemagd ist ein Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 89). Eine Königstochter wird durch eine Nebenbuhlerin von niederer Herkunft aus der ihr zugedachten Rolle der Braut verdrängt (AT 533) und muss stattdessen Gänse hüten. Seine poetische Kraft zieht das Märchen zum einen aus starken Bildern (Blutstropfen der Mutter, sprechender Kopf des getöteten Pferdes Falada, Kämmen der goldenen Haare), zum anderen aus stilistischen Besonderheiten (Sprüche wie der unten zitierte). Als Ergänzung zum vorliegenden Artikel empfehlen wir unsere kommentierte Auswahl von Illustrationen zum Märchen Die Gänsemagd.

Illustration von Arthur Rackham zu dem Märchen Die Gänsemagd
Die Gänsemagd. Illustration Arthur Rackham (The Fairy Tales of the Brothers Grimm, Constable, 1909)

Als Vorläufer des Märchens kann die Berthasage angesehen werden (siehe Bertha mit den großen Füßen), deren Heldin auf eine historische Figur, Bertrada die Jüngere, Frau von Pippin dem Jüngeren und Mutter von Karl dem Großen, zurückgeht. Die Gans als Muttersymbol tritt dort nicht in Form einer zu hütenden Gänseherde auf, sondern reduziert auf den großen Fuß (Gänsefuß) der Königstochter. Einige Ähnlichkeit weist außerdem das Märchen Die beiden Kuchen aus Giambattista Basiles Pentameron (veröffentlicht 1636) auf. Dort ist die Heldin jedoch ein einfaches Mädchen und die Konkurrentin ihre Cousine; außerdem ist es ihr Bruder, der zum Gänsehüter degradiert wird. Dieses Märchen weist auch Bezüge zu dem Grimm’schen Märchen Die Gänsehirtin am Brunnen auf, während es, abgesehen von der Ähnlichkeit der Titel, zwischen der Gänsemagd und der Gänsehirtin nur wenig Gemeinsamkeiten gibt.

Inhalt

Eine verwitwete Königin verheiratet ihre einzige Tochter mit einem Königssohn. Zum Abschied gibt sie ihr ein Tuch mit drei ihrer königlichen Blutstropfen, die sie beschützen und an ihre edle Herkunft erinnern sollen. Auf ihrem sprechenden Pferd Falada reitend und nur von einer Kammerjungfer begleitet, begibt sich die Braut zum Hof ihres Bräutigams. Als sie unterwegs Durst hat und von der Dienerin verlangt, ihr den königlichen Becher mit Wasser zu füllen, weigert sich diese — die andere solle doch vom Pferd absteigen und am Bach trinken. Schweren Herzens neigt sich die Königstochter zum Wasser um zu trinken; dabei verliert sie das Tuch mit den Blutstropfen. Nun wird die Kammerjungfer noch dreister — sie fordert für sich selbst das sprechende Pferd und die königlichen Gewänder. In diesen vertauschten Rollen kommen die beiden jungen Frauen am fremden Königshof an.

Der Königssohn begrüßt die Dienerin als seine Braut, während die wahre Braut als Magd im Hof stehen bleibt. Immerhin fällt ihre zarte Gestalt dem alten König auf, der die vermeintliche Braut nach dem Mädchen fragt. Sie sei nur eine Magd und er solle ihr eine niedrige Arbeit geben. So kommt es, dass die Königstochter zur Gänsemagd wird. Die falsche Braut indes fürchtet, Falada, das sprechende Pferd, könnte sie verraten, und befiehlt deshalb, ihm den Kopf abzuschlagen. Die Königstochter kann mit etwas Geld den Schlachter dazu bringen, den Kopf des geliebten Pferdes an das Tor zu nageln, durch das sie jeden Tag mit ihren Gänsen geht. Jedesmal wechseln die beiden Gefallenen folgende Worte:

»O du Falada, da du hangest«
»O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen.«

Dies hört Kürdchen, der Junge, mit dem zusammen die Königstochter ihre Gänse hütet. Und jedesmal wenn die Gänsemagd auf der Wiese ihr goldenes Haar löst, versucht er, eins davon zu bekommen. Jedesmal spricht sie dann einen Vers, der ihm den Hut vom Kopf fliegen lässt. Kürdchen muss ihm dann nachlaufen und kann wieder kein Haar bekommen. Das ärgert den Jungen so sehr, dass er die Hexerein der Magd dem König petzen geht. Der hört, versteckt hinter dem Tor, nun selbst die Worte des Pferdekopfes und schöpft Verdacht. Die wahre Identität der Gänsemagd kommt schließlich ans Licht, ebenso der schändliche Betrug der Kammerjungfer. Vom alten König befragt, was wohl mit einer zu tun sei, die ihre Herrin verrät und sich selbst an deren Stelle setzt, spricht sie ihr eigenes Todesurteil. Die Gänsemagd aber wird die rechtmäßige Frau des Königssohns.

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