Das Lumpengesindel

Das Lumpengesindel ist ein Schwank (Tierschwank, siehe auch Tiermärchen) der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 10). Die Geschichte hat eine starke Tendenz zum Grotesken und wirkt fast wie eine spontan ausgedachte Nonsens-Geschichte, die man einem Kind erzählt, um es zum Lachen zu bringen, oder auch wie eine Verballhornung eines Grimm’schen Märchens, wie sie von Unterhaltungskünstlern seit dem 20. Jahrhundert immer wieder gern vorgetragen wird. Die absurde Geschichte wurde aber (ebenso wie die Geschichte Von dem Tode des Hühnchens) von den Brüdern Grimm sogar für die Kleine Ausgabe ausgewählt, welche speziell für Kinder geeignete Märchen enthält und die Kinder- und Hausmärchen überhaupt erst populär machten.

Das Lumpengesindel. Illustration Carl Offterdinger

Inhalt

Hähnchen und Hühnchen gehen zusammen zum Berg, um dort die reifen Nüsse aufzupicken. Am Abend sind sie so vollgefressen, dass sie keine Lust haben, zu Fuß nach Hause zu gehen. Hähnchen baut aus einer Nussschale ein Wägelchen, aber vorspannen lassen will er sich nicht. So streiten sie ein Weilchen, bis eine Ente vorbeikommt und schimpft: Was mussten sie sich auch so voll fressen, … Lumpengesindel! Prompt vertragen sich Hühnchen und Hähnchen wieder und verprügeln zusammen die Ente. Mit dem Ergebnis, dass die bereit ist, sich vor den Wagen spannen zu lassen. Unterwegs lesen sie noch zwei magere Wanderlsleute auf, eine Nähnadel und eine Stecknadel, die sich beim Bier verspätet haben. Die Ente ist nicht besonders gut zu Fuß, und so müssen sie bei einem Wirt um Quartier bitten. Der hat wenig Lust, das Lumpengesindel zu beherbergen und bringt allerlei Ausflüchte. Schließlich können Hühnchen und Hähnchen ihn überreden, indem sie ihm die Ente und das vom Hühnchen unterwegs gelegte Ei als Bezahlung bieten. Sie zechen noch ordentlich, dann legen sie sich schlafen.

Im Morgengrauen stehen Hühnchen und Hähnchen auf, picken das Ei auf und werfen die Schalen auf den heißen Herd. Die Stecknadel stecken sie in das Handtuch vom Wirt, die Nähnadel in seinen Lehnstuhl. Dann fliegen sie davon. Auch die Ente wird vor dem Wirt wach, sie setzt sich auf einen Bach und lässt sich fort tragen. Als der Wirt sich morgens wäscht, zersticht er sich mit der im Handtuch versteckten Nadel das Gesicht. Dann fliegen ihm die Eierschalen um die Ohren, als er sich am Herd seine Pfeife anstecken will. Und als er sich nach all dem Ärger in seinen Lehnstuhl fallen lässt, sticht er sich auch noch ins Hinterteil. Seitdem achtet er streng darauf, kein Lumpengesindel mehr in seiner Herberge aufzunehmen.

Interpretation, Motivvergleich

Die aberwitzige Geschichte erinnert in der Grundtendenz natürlich vor allem an das bekanntere Märchen von den Bremer Stadtmusikanten, in dem sich ebenfalls Tiere für die schlechte Behandlung durch Menschen rächen, und zwar auf eine Art, durch die das Opfer lächerlich gemacht wird. Allerdings ist im Falle des Hühnchens und des Hähnchens die moralische Bewertung keinswegs so klar, denn während der Zuhörer bei den Stadtmusikanten automatisch auf der Seite der hartherzig ausgemusterten Tiere steht und die Vertreibung von Räubern nur gutheißen kann, sind Hühnchen und Hähnchen selbst von recht zweifelhaftem Charakter. Mit ihrem moralisch nicht wirklich korrekten Verhalten erscheinen sie eher wie frühe Versionen moderner (Anti-)Helden, etwa aus den beliebten Kindergeschichten von Janosch. Ein ähnliches Märchen der Brüder Grimm ist Herr Korbes.

Das könnte dich auch interessieren …