Brüderchen und Schwesterchen

Brüderchen und Schwesterchen ist Märchen der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, KHM 11). Varianten dieses Märchens (Bruder und Schwester müssen von zu Hause fliehen, auf der Flucht wird der Bruder in ein Tier verwandelt) sind in vielen Märchentraditionen vorhanden. Besonders ähnlich ist zum Beispiel das russische Märchen Aljonuschka und Iwanuschka. Das Märchen Das Lämmchen und Fischchen (Brüder Grimm) ist eine kürzere Variante, in der die Flucht und der darauffolgende Teil fehlt. Dort verwandelt die Stiefmutter beide Kinder in Tiere, wobei es wiederum die Tochter ist, welcher der Mordanschlag gilt. In Giambattista Basiles Märchen Nennillo und Nennella wird die in Brüderchen und Schwesterchen nur vage erkennbare Verwandtschaft mit Hänsel und Gretel deutlich.

Das Märchen von Brüderchen und Schwesterchen zeigt eine klare Zweiteilung, wobei auch im zweiten Teil die Stiefmutter als böse Kraft auftritt, die schon im ersten Teil für die Vertreibung der Kinder und die Verzauberung des Bruders verantwortlich war. Die in diesem Teil auftretende Motive erinnern stark an das Märchen Die drei Männlein im Walde, besonders das Erscheinen des Geistes der ermordeten jungen Königin an der Wiege ihres Kindes.

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Illustration von Arthur Rackham zu dem Märchen Brüderchen und Schwesterchen von den Brüdern Grimm
Brüderchen und Schwesterchen. Illustration Arthur Rackham (Little brother & little sister and other fairy tales by the brothers Grimm, Constable, 1917)

Inhalt

Nach dem Tod ihrer leiblichen Mutter leben Bruder und Schwester bei ihrer Stiefmutter, die sie schlechter behandelt als den Hund, der wenigstens ab und zu einen Leckerbissen zugeworfen bekommt. Deshalb laufen sie eines Tages von zu Hause fort in den Wald. Sie haben nichts mehr als einer den anderen und müssen den Hungertod befürchten.

Doch Brüderchen hat noch ein drängenderes Bedürfnis als zu essen: er möchte aus einem Bach trinken. Die Stiefmutter, die eine Hexe ist, hat alle Wasser der Umgebung mit einem Verwandlungszauber belegt. Wer davon trinkt, wird in ein Rehkalb verwandelt. Schwesterchen hat Angst; sie meint im Murmeln des Bächleins deutlich die Drohung zu hören »Wer mich trinkt, wird zum Rehkälbchen«. Brüderchen hört nichts als das verlockende Plätschern, trinkt und verwandelt sich beim ersten Schluck in ein Reh. Die Hexe freilich ist mit ihrem bösen Werk nur halb zufrieden, weil es ihr nicht gelungen ist, auch das Mädchen zu verführen.

Schwesterchen weint drei Tage lang, dann flicht sie aus Binsen ein weiches Band und führt das Reh mit sich fort. In einer Hütte im Wald leben Schwesterchen und Brüderchen Reh viele Jahre ein idyllisches Leben in völliger Abgeschiedenheit. Eines Tages entdeckt der junge König das schöne Mädchen und macht sie zu seiner Frau. Das Reh kommt mit an den königlichen Hof und bleibt seiner Schwester eng verbunden, die inzwischen ein Kind zur Welt gebracht hat. So viel Glück bleibt niemandem verborgen, und so erfährt es irgendwann auch die böse Stiefmutter. Mithilfe eines Verwandlungszaubers ermordet sie die junge Königin auf heimtückische Weise. Gleichzeitig schiebt sie ihre leibliche Tochter dem König als seine Frau unter.

Jede Nacht sieht die ermordete Frau nach ihrem Kind und ihrem Bruder, gibt dem Kind die Brust und streichelt das Reh. Eines Nachts aber spricht sie:

»Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm’ ich noch zweimal und dann nimmermehr.«

Das hört das Kindermädchen, und in der letzten Nacht erkennt endlich auch der König den Betrug. Als er die Nachtgestalt umarmt, wird sie wieder lebendig. Die falsche Braut wird wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen und die Hexe wird verbrannt, während das Reh wieder Menschengestalt annimmt.

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