Von allzu großem Hochmut

Von allzu großem Hochmut und wie die Stolzen oft zur tiefsten Niedrigkeit gelangen ist der Titel einer Geschichte aus den Gesta Romanorum (Kapitel 59).

Inhalt

Es herrschte einst der gar mächtige Kaiser Jovinianus: Als der einstmals auf seinem Bett ausgestreckt lag, da schwoll sein Herz unglaublich von Hochmut auf und er sprach bei sich: Gibt es denn einen anderen Gott als mich.

Natürlich bleibt solcher Hochmut nicht ungesühnt. Den Kaiser ereilt die Strafe gleich am nächsten Tag als er, einem spontanen Einfall folgend auf die Jagd geht. Als ihn eine Hitzewallung überkommt, kühlt er sich in einem See ab. Während er badet, stiehlt ein ihm aufs Haar gleichender Mann seine Kleider und sein Pferd. Nackt und seiner königlichen Insignien beraubt, muss er erkennen, dass all seine Größe und Würde an Äußerlichkeiten hingen. Zwei von ihm selbst ins Amt gehobene Würdenträger (ein Oberst und ein Herzog) lassen ihn wie einen Landstreicher verprügeln, als er um neue Kleider bittet und sich als Kaiser »ausgibt«. Schließlich schlägt er sich bis zu seinem Palast durch, in der festen Überzeugung, wenigstens seine Frau müsse ihn »an gewissen Kennzeichen« erkennen.

Doch zu seinem Entsetzen ist er, der Kaiser, schon da und sitzt mit seiner Frau an der Tafel. Die Kaiserin findet es zwar befremdlich, dass der vermeintliche Gauner »zur Kenntnis der von uns vorgenommenen geheimen Angelegenheiten gelangt ist«. Doch vermag auch sie nicht zu entscheiden, wer von den beiden Männern der echte Kaiser ist. Und so fällt der Mann in den kaiserlichen Kleidern über den Nackten den Urteilsspruch. Er soll an den Schweif eines Pferdes gebunden werden, ohne ihn dabei zu töten.

Nach der öffentlichen Demütigung begibt sich Nackte zu seinem Beichtvater. Unter Tränen beichtet er, wie er sich noch vor kurzem über Gott erhoben hat. Außer der Absolution erhält er ein paar Kleidungsstücke und begibt sich wieder zum Palast. Dort erkennt man ihn nun. Der falsche Kaiser offenbart sich als sein Schutzengel, der dafür sorgen musste, dass der Hochmütige zur Rettung seiner Seele Buße tut.

Motive

Das Motiv des Nackten, der während eines Bades in einem See seiner Kleider beraubt wird und dadurch eine andere Identität annimmt, kennen wir vor allem aus dem Märchen Der gestiefelte Kater. (Allerdings schlüpft dort, nach falscher Behauptung, ein Armer in die Rolle eines Reichen.) Die Bestrafung des Hochmütigen (hier in christlicher Ausprägung) ist eines der Grundthemen von Märchen. In Gestalt des Doppelgängers stellt sich die Frage nach der Einzigartigkeit eines Menschen in seiner (buchstäblich) nackten Existenz.

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