Die Monate

Das Märchen Die Monate ist die zweite Erzählung des fünften Tages in Giambattista Basiles Pentameron (»Fünftagewerk«). Es handelt von den beiden Brüdern Cianni und Lise, von denen der eine wie ein Graf lebt, während der andere nicht weiß, wie er sein kümmerliches Leben fristen soll.

Illustration von Warwick Goble zu dem Märchen Die Monate aus dem Pentameron von Giambattista Basile
Die Monate. Illustration Warwick Goble (Stories from the Pentamerone, Macmillan, 1911)

Von seinem reichen Bruder Cianni bekommt Lise keinen roten Heller, und deshalb verlässt er, um dem Hungertod zu entkommen, eines Tages seine Heimat. Lange wandert er durch die Welt, bis er gegen Ende des Winters zerlumpt, durchnässt und frierend in einem Wirtshaus anlangt. Dort sitzen zwölf junge Männer, offensichtlich Brüder, und wärmen sich am Feuer. Sie laden Lise ein, sich zu ihnen zu setzen, und einer fragt ihn, was er von diesem Wetter hält. Obwohl der Angesprochene allen Grund hätte zu klagen, antwortet er freundlich und bescheiden. Bestimmte wäre es nicht gut, wenn die Menschen bestimmen könnten, wie das Wetter ist. Denn oft genügt wüssten sie nicht einmal, was sie selber wollen. Am besten wüssten die Monate selbst, was für die Natur — und damit für die Menschen — jeweils das richtige Wetter ist.

Der junge Mann fragt noch einmal, ob nicht der jetzige Monat März ein besonders übler Geselle sei, mit all dem Schnee, Regen, Hagel und Sturm? Lise lässt sich nicht beirren und gibt zu bedenken, dass der März neben diesen Unannehmlichkeiten auch das Erwachen der Natur mit sich bringt.Diese Antwort freut den ernsten jungen Mann, denn er ist selbst kein anderer als der Monat März. Seine elf Gefährten sind die übrigen Monate des Jahres. Zum Dank schenkt er Lise ein Kästchen. Wenn er sich fortan etwas wünscht, solle er es einfach öffnen — was immer es sei, er würde es finden. Damit hat Lises Not ein Ende. Er wünscht sich eine warme, weiche Sänfte, in der er sich zurück in die Heimat tragen lässt. Außerdem gutes Essen und gute Kleider, damit er seinen Bruder besuchen kann.

Gianni staunt nicht schlecht, als er den armen Bruder in so prächtigen Kleidern heimkehren lässt. Neugierig lässt er sich von dem Wirtshaus, den zwölf Gefährten und dem Geschenk erzählen, das Lise bekommen hat. Doch was genau Lise dem Monat März gesagt hat, erfährt Gianni nicht. Der hat es nun sehr eilig, auch zu jenem Wirtshaus zu kommen. Tatsächlich trifft er dort die zwölf jungen Männer und wird nach seiner Meinung über das Wetter und über den Monat März gefragt. Gianni schimpft was das Zeug hält, sagt nur Schlechtes über den März (etwa: Märzenschnee tut Saaten weh) und fände es überhaupt am besten, den März aus der Liste der Monate zu streichen. Natürlich weiß er nicht, dass sein Gegenüber der März selbst ist.

Als er am nächsten Morgen das Wirtshaus verlässt, bekommt er von diesem einen Dreschflegel geschenkt. Jedesmal, wenn er sich etwas wünscht, solle er sagen: »Dreschflegel, gib mir hundert!« Zu Hause probiert Gianni die Sache aus — doch anstelle der Geldstücke, die er erwartet hatte, gibt ihm der Dreschflegel Schläge. Erst der wegen des Geschreis herbeigeeilte Lise kann den Flegel mithilfe seines Kästchens stoppen. Als er den Bericht seines Bruders hört, schimpft er. Das Unglück hab er sich durch sein dummes Gerede selbst zuzuschreiben. Doch dann bedenkt er, dass er der Hartherzigkeit des Bruders im Grunde sein eigenes Glück zu verdanken hat, denn nur deswegen ist er von zu Hause fortgegangen und in das Wirtshaus gelangt. Er lässt ihn an den unerschöpflichen Gaben des Kästchens teilhaben, und Gianni bittet den Bruder um Verzeihung für seine Hartherzigkeit. Fortan leben beide in Harmonie und Brüderlichkeit.

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