Das Ziegengesicht

Das Ziegengesicht ist ein Märchen aus dem Pentameron von Giambattista Basile (achte Geschichte des ersten Tages). In den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ist ein ähnliches Märchen mit dem Titel Marienkind enthalten. Der Unterschied besteht vor allem in der christlichen Ausdeutung der Beziehung zwischen Helferin und Märchenheldin (bei Basile eine Fee, bei den Grimms die Jungfrau Maria; bei Basile hat der Arme zwölf Töchter, bei den Grimms tritt die Zahl Zwölf in Form der zwölf Apostel auf).

Das Ziegengesicht, Pentameron, Giambattista Basile, Warwick Goble (Illustrator)
Das Ziegengesicht. Illustration Warwick Goble (Stories from the Pentamerone, Macmillan, 1911)

Inhalt

Ein armer Bauer hat zwölf Töchter und muss sich als Tagelöhner verdingen, um seine Familie satt zu bekommen. Eines Tages gräbt er am Fuße eines Berges schweren Boden um, als plötzlich eine übergroße Eidechse vor ihm erscheint. Er meint schon, dass er in deren Rachen enden würde, doch die Eidechse hat anderes im Sinn. Sie möchte, dass der arme Mann ihr am nächsten Tag seine jüngste Tochter übergibt – sie würde für das Mädchen wie für ihr eigenes Kind sorgen, in jedem Fall aber besser, als er es vermag.

Der Mann ringt mit sich und seinem Gewissen. Doch angesichts der Perspektive, dass die Eidechse ihn im Falle einer Absage kurzerhand verschlingen könnte und er für kein einziges seiner zwölf Kinder würde sorgen können, entscheidet er sich dafür, die jüngste Tochter einem unsicheren Schicksal zu übergeben. Am nächsten Morgen führt er das Mädchen zur verabredeten Stelle und bekommt dafür von der Eidechse einen Beutel voller Goldstücke, damit er die anderen elf Töchter gut verheiraten kann. Auch für ihn und seine Frau würde genug übrig bleiben, um ein bequemes Auskommen im Alter zu haben.

Renzolla, so der Name der jüngsten Tochter, ergeht es bei der Eidechse indessen prächtig. Die hatte, kaum das der Vater fort war, einen Palast erscheinen lassen und selbst ihre wahre Gestalt – die einer Fee – angenommen. Eines Tages verirrt sich ein junger König in diesen Palast und verliebt sich auf der Stelle in das schöne Mädchen, das seine Gefühle erwidert. Die Fee hat nichts dagegen einzuwenden, als der König ihren Zögling zur Frau begehrt; eine überaus reiche Mitgift soll die Sache besiegeln.

Doch als die Zeit des Abschieds von der Fee gekommen ist, wird diese von Renzolla bitter enttäuscht. Kein einziges Wort des Dankes kommt über die Lippen des Mädchens. Daraufhin wünscht die Fee dem Mädchen ein Ziegengesicht an den Hals, was sich umgehend, d.h. noch auf der Reise an den Königshof, erfüllt. Der König kann kaum glauben, was er sich da (im Wahn?) für ein Weib aufgeladen hat. Zusammen mit einer Kammerfrau lässt er sie in die Küche sperren, wo sie Flachs spinnen muss. Renzolla ahnt nichts von ihrer Verwandlung und kann sich daher auch nicht erklären, warum ihr Gemahl so abweisend ist. Und erst recht empfindet es als Zumutung, dass sie spinnen soll.

Während die Kammerfrau eifrig am Spinnen ist, rührt sie selber keinen Finger. Als der Zeitpunkt naht, wo der König ihre Arbeitsergebnisse prüfen will, bekommt sie es mit der Angst und sucht Rat bei ihrer Ziehmutter die Fee. Die zeigt sich nicht nachtragend und übergibt ihr einen großen Sack mit gesponnenem Flachs. Doch auch diesmal hört sie von Renzolla kein einziges Wort des Dankes. Renzolla muss also (ohne es zu wissen) weiter mit ihrem Ziegengesicht herumlaufen. Ihr Mann gibt ihr und der Kammerfrau jeweils einen Hund, den sie pflegen sollen. Renzolla ist wiederum empört.

Ohne eine Spur von schlechtem Gewissen eilt sie zum Palast der Fee. Der Eingang von einem bärtigen alten Mann gehütet, der sie nicht ohne Weiteres einlassen will. Sie schimpft ihn einen alten Geißbart, woraufhin dieser ihr einen Spiegel vorhält. Entsetzt blickt sie in das Gesicht einer alten Ziege! Er erinnert sie daran, dass sie als armes Bauernmädchen in den Palast der Fee gekommen ist und alles, was sie ist und besitzt, allein der Fee verdankt. Auf den Rat des Alten hin wirft sich Renzolla der Fee vor die Füße, zerkratzt ihr Gesicht, rauft sich das Haar und bittet um Vergebung. Die gütige Fee zeigt Erbarmen und erlöst Renzolla von ihrem Ziegengesicht. Von nun an lebt Renzolla glücklich mit ihrem Ehemann, ehrt die Fee und auch den alten Geißbart.

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